Mittwoch, 6. Dezember 2006
Armut
"Hänsel und Gretel" - da fällt einem zunächst natürlich die Hexe und das Hexenhäuschen, dann aber auch die Kindesaussetzung ein. Immer wieder in Vergessenheit gerät die Ausgangslage, in der die Eltern beschließen, die Kinder im Wald auszusetzen - eigentlich ein gutes Beispiel für Armut:
    "Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker mit seiner Frau und seinen zwei Kindern; das Bübchen hieß Hänsel und das Mädchen Gretel. Er hatte wenig zu beißen und zu brechen, und einmal, als große Teuerung ins Land kam, konnte er das tägliche Brot nicht mehr schaffen.

    (Quelle: Projekt Gutenberg: Grimm "Hänsel und Gretel)
Konkret: den Eltern fehlte inflationsbedingt das tägliche Brot. Sie drohen zu verhungern.
    "...Wie er sich nun abends im Bette Gedanken machte und sich vor Sorgen herumwälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau: »Was soll aus uns werden? Wie können wir unsere armen Kinder ernähren da wir für uns selbst nichts mehr haben?«

    (Quelle: Projekt Gutenberg: Grimm "Hänsel und Gretel)
interessanterweise ist es die (Stief?-)Mutter, die dann den Vorschlag macht, die Kinder im Wald auszusetzen. Das ist wirkliche Armut.

Heute schreibt die Süddeutsche in ihrer Hauptüberschrift auf Seite 1:
Zehn Millionen Deutsche von Armut bedroht
Aber keine Sorge, da stehen nicht 10 Millionen Deutsche vor dem Hungertod.
    "Für die Wissenschaftler sind Menschen von Armut bedroht, die mit 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens auskommen müssen. Dieses beträgt 1427 Euro, 60 Prozent entsprechen demnach 856 Euro. ..."
    (Quelle: Süddeutsche online)
Varzil ist überzeugt, dass da mit dem Begriff "Armut" und den auch durch Grimms Märchen bei den meisten Menschen geprägten Vorstellungen zur Armut Schindluder getrieben wird.

Die Abermillionen von Menschen, die aktuell in der Welt vom Verhungern bedroht sind, werden das vermutlich ähnlich sehen.

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