Freitag, 8. Dezember 2006
Beamtetes Schnüffeln
Eigentlich sollte man ja glauben, dass man mit Art. 2 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) und mit Art. 10 GG (Fernmeldegeheimnis) und mit Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) genug Schutz der Privatsphäre gebe.

Aber weit gefehlt: Nicht nur die Abhörerei mit Richtmikrofonen via Fensterscheiben ist offenkundig immer noch zu befürchten, sondern auch die Überwachung des Internet-Zugangs:
    "Den meisten Computernutzern ist es nicht klar: Aber wenn sie im Internet surfen, können Verfassungsschützer oder Polizei online bei ihnen zu Hause auf die Festplatte zugreifen und nachschauen, ob sie strafbare Inhalte dort lagern - zum Beispiel Kinderpornographie oder auch Anleitungen zum Bombenbau.

    Sichtbar: E-Mails, besuchte Webseiten, angelegte Dateien

    Natürlich nur, wenn es einen konkreten Tatverdacht gibt und nachdem ein Richter zugestimmt hat. Aber haben sich die Behörden erst einmal eingehackt, ist für sie eigentlich alles sichtbar: Die E-Mails, die man bekommen, die Internetseiten, die man angesehen und auch die Dateien, die man angelegt hat. Da muss kein Fahnder mehr einen Computer beschlagnahmen, die Durchsuchung funktioniert online und quasi ferngesteuert.

    Nun soll auch das Bundeskriminalamt (BKA) in großem Maß dürfen, was die Kollegen in den Ländern längst tun. Im Programm für die Stärkung der inneren Sicherheit, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, erklärt das Innenministerium, ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Terror sei die Fähigkeit, PCs durchsuchen zu können, ohne tatsächlich am Standort des Gerätes zu sein. ..."
    (Quelle: Süddeutsche online)
Soweit so schlecht - aber es kommt noch schlechter:
    "... Nordrhein-Westfalen will als erstes Land die Grauzone durch ein Gesetz ausleuchten: An diesem Donnerstag soll es verabschiedet werden und am 1. Januar in Kraft treten. Es sieht vor, dass der Landes-Verfassungsschutz über das Internet auch auf private Computer zugreifen kann. Die Pointe dabei: Was die FDP im Bund kritisiert, schreibt ihr FDP-Innenminister in Düsseldorf gerade fest. ,,Als verantwortlicher Innenminister möchte ich wissen, welche Extremisten sich Anleitungen zum Bombenbauen aus dem Internet ziehen‘‘, sagt Ingo Wolf.

    Für die SPD in Düsseldorf ist das trotzdem ,,staatlich organisierter Hausfriedensbruch”. Unfug, sagt der Düsseldorfer Verfassungsschutzchef Hartwig Möller, der selbst der SPD angehört. ,,Wir schauen den Bürgern doch nicht flächendeckend beim Surfen über die Schulter. Es geht darum, dass wir erkennen können, was jemand plant, ob jemand sich geistlichen Rat im Internet holt, der ihm Anschläge erlaubt. Wenn wir so etwas mitkriegen, dann können wir auch früher eingreifen.‘‘ Der Verfassungsschutz brauche für die Online-Durchsuchung konkrete Hinweise auf eine schwere Straftat, und dann müsse die G-10-Kommission zustimmen, die derartige Eingriffe überwacht.

    Seit November fühlen sich die Fahnder dennoch auf dünnem Eis: Da hat ein Richter am Bundesgerichtshof eine Online-Durchsuchung abgelehnt. Ihm reichte die Rechtsgrundlage nicht."
    (Quelle: Süddeutsche online)
Eine rechte Pointe hat das Ganze nicht.

Natürlich fragt man sich, wie das die Beamten und Beamtinnen eigentlich machen mit dem Zugang auf den Rechner. Alte Befürchtungen, dass Microsoft da eine Backdoor für Regierungszwecke im Code des Betriebssystems versteckt hat, haben ja schon Ende der Neunziger Jahre die beschleunigte Entwicklung von Open Source Software (z.B. Linux) erheblich befördert. Und Microsoft hat gerade eben erst frisch dementiert, dass es eine solche Hintertür gebe.
    "...Der Software-Hersteller Microsoft ist davon überzeugt, dass ein Einbruch in Computersysteme mit dem hauseigenen Betriebssystem Windows nicht ohne weiteres möglich ist. Auch eine sogenannte Hintertür für Ermittler gebe es trotz vieler Vermutungen nicht. "Es gibt keine Vereinbarung mit staatlichen Stellen, weder hier noch anderswo auf der Welt, die das offizielle Eindringen auf Computersysteme für die Polizei ermöglicht", sagt Microsoft-Sprecher Thomas Baumgärtner. ...
    (Quelle: Jörg Onner in der Süddeutschen Zeitung vom 8.12.2006, S. 20, online nur im Bezahl-Content)
Das ist die alte Leier: Windows ist halt einfach sicher. Ob Microsoft wirklich nicht mit staatlichen Stellen über den Quellcode seines Betriebssystems reden will, wenn z. B. die Ausrüstung von einigen 10.000 Rechnern bei staatlichen Streitkräften ansteht und die Einkäufer der Streitkräfte sich erkundigen, was Windows eigentlich den lieben langen Tag alles so im Hintergrund macht?

Sorry für die Abschweifung: das eigentlichere Problem ist dagegen wieder keins:
    "... Allerdings muss auch eine andere Möglichkeit in Betracht gezogen werden: Gegen Ermittlungsbeamte, die mit richterlicher Erlaubnis persönlich einen Trojaner auf dem Rechner installieren, hilft auch die beste Firewall nicht ..."
    (Quelle: Jörg Onner in der Süddeutschen Zeitung vom 8.12.2006, S. 20, online nur im Bezahl-Content)
Auch das macht es nicht wirklich gut, abgesehen davon,dass da ein beamteter Richter eine Kontrolle ausübt.

Von der im 19. Jahrhundert so hochgeschätzten Bürger-Freiheit bleibt schon jetzt nicht mehr viel übrig.

Man könnte es den Ermittlern ja nicht ganz so einfach machen. Man müsste nur seinen Rechner abschalten, wenn er ihn nicht zum Surfen bräuchte.

Das ist allerdings extrem uncool. Internet-Flatrates verleiten - sehr zur Freude der Stromlieferanten - dazu, den heimischen Rechner auch dann konstant mit dem Netz zu verbinden, wenn man als arbeitende Bevölkerung 10 bis 12 Stunden von zuhause weg ist, sieben Stunden schläft, und zuhause also allerhöchstens ein paar Stunden am Rechner sitzt...

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