Dienstag, 18. Dezember 2007
Mindestmaß
Da gibt es einerseits ein Minimum, von dem man leben können muss. Darunter beginnt der Bereich, den man so schön mit "zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben" beschreibt. Und grundsätzlich sollte man meinen, dass man mit ganztägiger Arbeit sein Minimum an Lebensunterhalt verdienen können sollte.

Da gibt es andererseits offenkundig genug Menschen, die bereit sind, für weniger als dieses Minimum zu arbeiten.

Im Bereich der Postzustellung hatte der Bundestag vor kurzem beschlossen, wo dieses Minimum liegt: bei erstaunlichen 9,80 €!

Eines der Start-up-Unternehmen namens PIN hatte sich vor dem Auslaufen des Briefmonopols der Post schon mal warmlaufen wollen und die Briefzustellung in den Städten versucht. Und kaum hatte der Bundestag seinen Beschluss zu dem Mindestlohn von 9,80 € gefasst, kündigte PIN Entlassungen an. Zwischen 700 und 1000 Mitarbeitern sollte gekündigt werden.

Nun sieht es so aus, als ob dass nicht für diesen Teil, sondern für alle PIN-Mitarbeiter "Schicht" ist:
"...Am Nachmittag wollte der Verwaltungsrat der PIN-Gruppe über die Zukunft des Unternehmens entscheiden. Eine Insolvenz wird immer wahrscheinlicher. Springer hatte vergangenen Freitag angekündigt, dem Unternehmen kein Geld mehr zuschießen zu wollen. Die Entscheidung fiel unmittelbar nach dem Beschluss des Bundestages, einen Mindestlohn für Briefdienstleister einzuführen. Der offensichtlich gescheiterte Ausflug in das Briefgeschäft wird Springer rund 600 Millionen Euro kosten...."
(Quelle: Focus online)
Bitter.
Was lernt uns das?
  1. Briefzustellung ist eine heikle Sache!
  2. Die Beschäftigung von Briefträgern ist eine teure Sache.
  3. Das Lebensminimum liegt, wenn man soviel Schuhsohlen wie ein Briefträger verbraucht, bei 9,80 € die Stunde (so ca. 19 DM!).
  4. Wer bereit ist, für weniger zu arbeiten, lebt verkehrt (unter dem Minimum).
  5. Die Gewerkschaften, die PIN da vorgeworfen hatten, die Entlassungen seien nur eine Demonstration gegen den Bundestagsbeschluss, lagen aus unternehmerischer Sicht ziemlich daneben (das Minimum an Unternehmersicht fehlt).
  6. Am ärgerlichsten ist der Eindruck, dass die Arbeitslosen - wieder einmal - den Eindruck haben, dass die Arbeitnehmervertreter (SPD und Gewerkschaften) lediglich Besitzstände der (noch) Arbeitenden verteidigen.
Vielleicht liegt einfach auch das Mindestmaß zu hoch, oder aber unser gesamtes Lohn-/Preisgefüge stimmt nicht mehr:

Wenn drei große Bier in der Kneipe teurer sind als ein ganzer Kasten Bier im Getränkegroßmarkt, wenn ein Teilchen (Berliner) beim Bäcker mit 1,30 € so teuer ist wie 2 Liter Milch, wenn die Miete für ein Studentenzimmer (250 - 290 €) heute fast so viel kostet wie das Minimum eines Hartz-IV-Empfängers (ca. 350 €), wenn ...
dann stimmt da etwas Grundlegendes nicht mehr.

Vielleicht hat da ja jemand auch mal ein Minimum an Gehirnschmalz über und denkt sich was zum Thema "gerechter Lohn und Mindestlohn" aus, was alle überzeugt...

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