Donnerstag, 5. Juni 2008
Milch
Säugetiere heißen Säugetiere, weil sie alle nach der Geburt Muttermilch als erste Nahrung geben/erhalten, daher auch der lateinische Gattungsname Mammalia ("Mamma" steht im Lateinischen für die "Brust").

Und damit - besonders in schlechten Zeiten - die Erwachsenen nicht den Neugeborenen die (nahrhafte) Milch wegtrinken, gibt es bei praktisch allen Arten eine "Laktoseintoleranz".

Wobei:
"Damit" ist eigentlich nicht richtig. Nur hatten die Säugetiere, die auch als Erwachsene noch (Mutter-)Milch vertragen und folglich den Neugeborenen die Milch wegtranken, schlechtere Überlebenschancen.

Diese Laktoseintoleranz gibt es auch beim Säugetier "homo sapiens", allerdings mit regional großen Unterschieden:
"Die größte Konzentration Erwachsener, die Laktose verwerten können, findet sich in Europa nördlich der Alpen. Über 95% der Holländer, Dänen, Schweden und anderer Skandinavier verfügen über eine körpereigene Laktaseenzymgenese, um ihr ganzes Leben lang Laktose verdauen zu können. Ein Großteil der mittel- und südasiatischen erwachsenen Bevölkerung verträgt im Erwachsenenalter keine Kuhmilch mehr, bei ihnen besteht eine Laktoseintoleranz...."

(Quelle: Wikipedia zu Milch; von dort auch das Foto)
Erstaunlich, dass man nichts zur Milchuntverträglichkeit von Menschen findet, die in Ostafrika, der Wiege der Menschheit, leben. Die Laktosetoleranz der Europäer entwickelte sich nach dem, was man so liest vor rund 9500 Jahren - eben zu der Zeit, als die letzte Kaltzeit zu Ende ging.

In den letzten (150?) Jahren hat sich die Menge der Milchproduktion radikal verändert. Wurde früher neben der Milch für den eigenen Nachwuchs allenfalls Milch für die jeweilige Nachbarschaft bereitgestellt, wird seit dem Milch für die Menschen in den Städten produziert und aufbereitet, meist in Molkereien.

Die Segnungen der europäischen Agrarwirtschaft haben auf dem Weg der garantierten Festpreise in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts unter anderem auch zu "Milchseen" geführt. D.h. Milch wurde unabhängig vom Bedarf produziert (und dann vernichtet, verdampft, zu Milchpulver gemacht und verschenkt ...).

Seit etwa 20 Jahren soll eine Milchquote eigentlich dafür sorgen, dass nicht mehr Milch produziert als verbraucht wird. Das klappt aber nicht:
"Die zugeteilte Quote der EU lag rund 15–20 % über dem Verbrauch. Auch heute noch liegt sie 10–15 % darüber, so dass bis heute dieser Teil der Erzeugung weitgehend subventioniert abgesetzt wird (Futtermittel, industrielle Verwertung, Drittlandsexport). Damit konnten die stabilen Preise nicht in der erhofften Form durchgesetzt werden.
(Quelle: Wikipedia zu Milchquote
Der subventionierte Export in Nicht-EU-Länder führt zwangsläufig dazu, dass der Milchpreis am Weltmarkt sich auf einem (noch) niedrigeren Niveau als ohne den Export einpegelt.

In diesem ohnehin nicht befriedigenden System ist jetzt zusätzliche Unruhe ausgebrochen:

Zum einen haben die ostasiatischen Märkte - aller Laktoseunverträglichkeit zum Trotz - nicht nur ihren Appetit auf Erdöl, sondern auch auf Milchprodukte entdeckt und entwickelt. Im Herbst 2007 stieg daher der Weltmarktpreis für Milch so sehr, dass er zeitweise über dem EU-Marktpreis lag. Milch wurde - auch in Deutschland - teuerer. Nach Ausweitung der Produktion hat sich dieser Effekt wieder normalisiert. Die Milch wurde vor einigen Monaten wieder billiger.

Zum anderen haben die deutschen Bauern ihre alten Flugblätter gelesen und festgestellt, dass die Erzeugererlöse für Milch zu niedrig sind. Ihr ursprünglich eher belächelter Lieferboykott wird inzwischen ernst genommen.
Nach gut einer Woche sehen sich die deutschen Milchbauern fast am Ziel: Sie wollen ihren Boykott ab Donnerstagabend aufheben.
...

"Ich rufe sie auf, ab heute Abend wieder Milch zu liefern", forderte der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, demonstrierende Bauern in Berlin auf. ...

Die Bauern seien zwar mit den bisherigen Zugeständnissen des Handels noch nicht ganz zufrieden, weil die zugesagten Preiserhöhungen nur für Butter und Milch gelten sollten. Aber sein Verband begrüße es, dass Bewegung in die Preisgestaltung bekommen sei. "Das Ganze ist nicht mehr zu halten", sagte Schaber. Seinen Angaben zufolge haben sich die Ketten Lidl, Rewe, Norma, Plus und Aldi-Süd zur Zahlung höherer Preise bereit erklärt. "Die letzte Bastion bei den Discountern wird bald fallen", sagte Schaber.

... Am Mittwoch hatte bereits Lidl angekündigt, den Verkaufspreis je Liter um 10 Cent und für Butter je 250-Gramm-Päckchen um 20 Cent erhöhen. Gültig werden soll die Preiserhöhung ab kommenden Montag.... Die rechtlich voneinander unabhängigen Unternehmen Aldi Nord und Aldi Süd gelten als Signalgeber für die gesamte Discounter-Branche.
(Quelle: Financioal Times Deutschland vom 5.6.2008)
Mal sehen, was wird: Unwahrscheinlich, dass da was Vernünftiges rauskommt.

Ein guter Hinweis auf einen funktionierenden Marktpreis könnte die Bio-Milch geben. Die ist nicht reglementiert - sie kostet das, was der Verbraucher bereit ist, dafür zu zahlen: deutlich mehr als ein Euro der Liter....
...Schon heute ist Deutschland nach den Vereinigten Staaten weltweit der zweitgrößte Absatzmarkt für Bionahrung. Die Kunden sind bereit mehr zu zahlen. Bei Basic kostet der Liter Vollmilch zur Zeit 1,29 Euro. Aldi dagegen wirbt diese Woche mit einem neuen "Dauertiefpreis" von 61 Cent. ..."
(Quelle: faz.net vom 3.6.08)
Varzil gehört auch zu denen, die lieber 61 als 129 Cent für einen Liter bezahlen. Vielleicht lernt er ja mal um. Basic ist gar nicht so weit weg.

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Dienstag, 1. April 2008
Fundstücke (2)
Der Klügere gibt nach ....

Und weil wir das seit Jahren so handhaben, sind jetzt die Dummen an der Macht.

(Quelle: unbekannt, via heise-forum)

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Mittwoch, 19. März 2008
Urteile mit Dauerwirkung
Dass es da bei der Vorratsdatenspeicherung "Optimierungsbedarf" gab, war schon durch die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung klar. Etwas Neues konnte man da sinnvoller Weise als Otto Normalverbraucher kaum noch sagen. Zahlreiche Blogs hatten sich daher in Trauer gehüllt.

Jetzt gibt es Neues: In einer Eilentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht Teile des der Vorratsdatenspeicherung zugrunde liegenden Gesetzes außer Kraft gesetzt:
"In dem Verkehrsdatenabruf selbst liegt ein schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG. ..."
(Quelle: Bundesverfassungsgericht Nr 156 des Beschlusses vom 11.03.2008)
Gut so.

Das ist ein Monat mit erstaunlichen Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen:
  • Am 27.02.2008 wird die Online-Durchsuchung gestoppt ( Koriander hatte schon am April 2007 angedeutet, dass da was faul war.) und eine Art Coumputer-Grundrecht geschaffen.
  • Das Bundesverfassungsgericht hat am die automatische Kfz-Kennzeichenerfassung teilweise gestoppt mit der bemerkenswerten Sentenz:
    "Die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen darf nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist im Übrigen nicht gewahrt, wenn die gesetzliche Ermächtigung die automatisierte Erfassung und Auswertung von Kraftfahrzeugkennzeichen ermöglicht, ohne dass konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder -verletzungen einen Anlass zur Einrichtung der Kennzeichenerfassung geben. Die stichprobenhafte Durchführung einer solchen Maßnahme kann gegebenenfalls zu Eingriffen von lediglich geringerer Intensität zulässig sein."
    (Quelle: Bundesverfassungsgericht Leitsatz 4 des Urteils vom 11.3.2008)
    Hier war zunächst einmal bemerkenswert, dass dem Gesetzgeber nicht die Idee gekommen war, den Zweck der Kennzeichenerfassung ordentlich zu definieren - obwohl die Bedenken ("Bewegungsprofile") eigentlich naheliegend waren.
  • Die gesetzliche Regelung der von der EU angestoßenen Vorratsdatenspeicherung hat auch nicht funktioniert, s.o. Auch hier stehen die "Big brother is watching YOU"-Bedenken im Vordergrund.
  • Und noch was - außerhalb von "1984": Vor kurzem hat sich das Bundesverfassungsgericht (am 26.02.2008) auch mit dem Inzest-Verbot in § 173 Abs. 2 StGB auseinandergesetzt. Hier hat die Mehrheit der Richter zwar sehr staatstragend entschieden, dass das Inzest-Verbot verfassungsmäßig ist.

    Immerhin aber hat ein Richter, und zwar nicht irgendeiner, sondern der Vorsitzende und Berichterstatter in dem Fall, Herr Dr. Hassemer, die Begründung des Gerichts nach allen Regeln der Jurisprudenz zerpflückt. Er beginnt mit:
    "...Die Norm verfolgt schon kein Regelungsziel, das in sich widerspruchsfrei und mit der tatbestandlichen Fassung vereinbar wäre ..."
    (Quelle: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.02.2008)
    Sein abweichendes Votum ist einfach lesenswert. Allein wie er die Sentenz des Gerichts von der
    „Zusammenfassung nachvollziehbarer Strafzwecke vor dem Hintergrund einer kulturhistorisch begründeten, nach wie vor wirkkräftigen gesellschaftlichen Überzeugung von der Strafwürdigkeit des Inzests, wie sie auch im internationalen Recht festzustellen ist" (Quelle: aaO Randnummer 81 )
    auf ein "das war schon immer so" reduziert und damit als schlichtes Geblubber entlarvt, ist eigentlich einen eigenen Blog-Eintrag wert.
Das Bundesverfassungsgericht zeigt hier eine Qualität, die man bei Exekutive und Legislative vermisst.

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