Montag, 23. Juni 2008
EM 2008: Wie man nicht über Doping schreibt
Zeitung lesen kann immer wieder Anlass zu klammheimlicher Freude liefern:
Bei der Süddeutschen Zeitung macht sich Jürgen Schmieder online und in der Papierausgabe von heute Gedanken über die Leistungsfähigkeit der von dem Holländer Guus Hiddink trainierten russischen Nationalelf:
"...Es ist in der Tat nur schwer zu erklären, wie diese russische Mannschaft - die in den drei Gruppenspielen durchschnittlich jeweils drei Kilometer mehr lief als die gegnerische Elf – in der Lage war, auch nach 90 Minuten das holländische Team unter Druck zu setzen, deren Spieler von Minute zu Minute müder wurden. Russlands Akteure liefen einfach weiter und erspielten sich zahlreiche Torgelegenheiten. „Das ist nicht nur eine Frage der Physis, sondern auch der Taktik“, sagte Hiddink. „Man muss die Waffen des Gegners entschärfen und dann seine eigenen geschickt einsetzen...."
(Quelle: Sueddeutsche.de)
Es ist gar nicht so schwer zu erklären, Herr Schneider. Man muss nur zuerst den in der Papierausgabe vom 23.06.2008 links daneben stehenden Kommentar von Thomas Kistner zuerst lesen.
"Wie also funktioniert diese superbe Athletikschule, was macht Guus Hiddink anders als die Kollegen, deren Beste stehenbleiben, wenn Russland den Turbo zündet? Auch Bondscoach Van Basten rätselt über die slapstickreife Kräftedifferenz - diese zu erhellen, sollte Kern jeder EM-Fachdebatte sein. Zumal Hiddink ja gern öfter solche Coups liefert: Seine topfitten Australier wurden im WM-Achtelfinale 2006 mit Mühe von Italien gestoppt, 2002 jagten seine Südkoreaner gar ins Halbfinale. Damals musste sich Hiddink übrigens eines, naja, Verdachts erwehren. "Grundschnelligkeit verbessert man nicht mit Medikamenten", erklärte er, "wer Beweise hat, soll sie vorlegen." Kein Zweifel, dass da alles sauber abläuft. Wird das Ganze eben zur Bankrotterklärung für alle Trainer und Kompetenzteamleiter, deren Profis den Russen körperlich so heillos unterlegen sind wie Schweden und Holländer."
(Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 23.06.2008 S. 29)
So angenehm kann eine (gute) Zeitung weit von sich weisen, jemals an Doping gedacht zu haben. Doping? Darüber wird doch schon seit Harald "Toni" Schumachers Zeiten geschwiegen:
"Nach kritischen Äußerungen und unbewiesenen Behauptungen zum Thema Doping in seinem Buch "Anpfiff" musste Schumacher seine internationale Karriere (76 Länderspiele) beenden, auch der 1. FC Köln reagierte mit Auflösung des Vertrags."
(Quelle: freenet.de in der Rubrik "Skandalfußballer")
Zur Erinnerung: Harald Schumacher war mal Nationaltorwart. Ansonsten: Kein Kommentar!

oder vielleicht doch ein bisschen UEFA-Sprachblasen?:
Das vom Exekutivkomitee bestätigte Anti-Doping-Programm für die UEFA EURO 2008™ zeigt einmal mehr die kompromisslose Haltung der UEFA gegen Doping im Fußball.

Urin- und Bluttests
Bei der Endrunde vom 7. bis zum 29. Juni in Österreich und der Schweiz werden bei allen 31 Partien sowohl Urin- als auch Bluttests durchgeführt. Außerdem müssen sich die 16 teilnehmenden Mannschaften zusätzlichen Trainingskontrollen unterziehen, auch dabei werden sowohl Blut als auch Urin untersucht. Jedes Team wird mindestens einmal getestet, bei jedem Kontrollbesuch werden von zehn Spielern Proben genommen.
(Quelle: de.euro2008.uefa.com)
Klingt doch gut, oder? Vor allem, wenn es tatsächlich auch so gemacht wird und man tatsächlich testet.

Vermutlich hat Herr Kistner ja Recht und die Russen sind
einfach fitter und die anderen europäischen Nationaltrainer einfach inkompetent...

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Sonntag, 22. Juni 2008
BWV 82: Ich habe genug
Keine Fußballsprache, sondern mehr als 250 Jahre her war gestern morgen im Klassik-Forum von WDR 3 folgendes zu hören:
Johann Sebastian Bach
Ich habe genug, BWV 82

Kantate
Barry McDaniel, Bariton
Collegium musicum des WDR
(25' 10'')
(Quelle: WDR 3)
Eine der Bach-Kantaten mit ohne Chor, nur für Solo Bass etc. Barry McDaniel hat da sehr schön gesungen.

Noch schöner die Anmoderation:
Komponiert wurde die Bachkantate für den 2. Februar 1727. Heute wird am 2. Februar Mariä Lichmeß gefeiert, das Ende der Weihnachtszeit. Aber der historische Hintergrund lässt aufhorchen. Denn früher hieß das Fest Mariä Reinigung:
"Nach jüdischer biblischer Vorschrift galt die Frau nach Geburt eines Knaben 40 Tage und eines Mädchens 80 Tage als unrein"
(Quelle: Wikipedia)
Das steht da einfach so, Gott sei Dank gibt es für die ungläubigen Thomasse auch eine Fundstelle: 3. Moses 12, 1 - 8. Und tatsächlich
Und der HERR redete mit Mose und sprach:
2 Rede mit den Israeliten und sprich: Wenn eine Frau empfängt und einen Knaben gebiert, so soll sie sieben Tage unrein sein, wie wenn sie ihre Tage hat. 3 Und am achten Tage soll man ihn beschneiden. 4 Und sie soll daheim bleiben dreiunddreißig Tage im Blut ihrer Reinigung. Kein Heiliges soll sie anrühren und zum Heiligtum soll sie nicht kommen, bis die Tage ihrer Reinigung um sind.
5 Gebiert sie aber ein Mädchen, so soll sie zwei Wochen unrein sein, wie wenn sie ihre Tage hat, und soll sechsundsechzig Tage daheim bleiben in dem Blut ihrer Reinigung.
6 Und wenn die Tage ihrer Reinigung für den Sohn oder für die Tochter um sind, soll sie dem Priester ein einjähriges Schaf bringen zum Brandopfer und eine Taube oder Turteltaube zum Sündopfer vor die Tür der Stiftshütte. 7 Der soll es opfern vor dem HERRN und sie entsühnen, so wird sie rein von ihrem Blutfluss. Das ist das Gesetz für die Frau, die einen Knaben oder ein Mädchen gebiert. 8 Vermag sie aber nicht ein Schaf aufzubringen, so nehme sie zwei Turteltauben oder zwei andere Tauben, eine zum Brandopfer, die andere zum Sündopfer; so soll sie der Priester entsühnen, dass sie rein werde.
(Quelle: Bibelserver 3. Moses12, 1-8)
Welch ein Reglement:
7 Tage + 33 Tage oder nach der Geburt eines Mädchens das Doppelte: 14 Tage + 66 Tage unrein und Absondern, und dann ein Schaf oder 2 Turteltauben zahlen opfern. Mag sein, dass das auch als eine Zeit der Schonung und Erholung gedacht war. Aber dass man sich nach einer Tochtergeburt doppelt solang absondern muss, kann doch wohl nur einem fundamental misogynen Gehirn entsprungen sein.

"Ich habe genug, ich habe fertig"

oder um es mit dem Dichter der Bachkantate zu sagen:
Ich habe genug,
Ich habe den Heiland, das Hoffen der Frommen,
Auf meine begierigen Arme genommen;
Ich habe genug!
(Quelle: BWV 82)

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Samstag, 21. Juni 2008
Geld schießt keine Tore
Also hier und jetzt auch ein kurzer Beitrag zur EM ... Deutschland gewinnt gegen Portugal 3:2 und Christiano Ronaldo schießt kein Tor.
"...Ronaldos Manager soll am Tag des Spiels Abgesandte von Real in Moskau getroffen haben. Ihr Angebot: 90 Millionen Euro für Manchester. Und 9,5 Millionen Euro Jahresgehalt für Ronaldo. Netto.

(Quelle: Spiegel online zu Ronaldo)
Damit genug vom Fußball...

Zurück zu den eher unterhaltsamen Themen im Leben, zum Beispiel der Spitzenforschung in Bonn namens "Caesar". Geschaffen aus Mitteln des Bonn-Berlin-Ausgleichs (375 Millionen, sagte man) dümpelt es seit Jahren in einem wunderschönen Gebäude am Rande des ehemaligen Bundesgartenschaugeländes vor sich hin.

Jetzt hat es eine neue Leitung und der Neue, Prof. Dr. Ulrich Benjamin Kaupp. Zum Amtsantritt sprach er deutliche Worte:
" Keinesfalls rausgeworfenes Geld, wie Kaupp den Besuchern klar machte. Denn Gebäude, Labors und Einrichtungen wie Rein-Raum und Spezialmikroskope werden heute und in Zukunft genutzt.

Dennoch ersparte Kaupp, berufen im Juli 2007 nach der Neustrukturierung unter dem Dach der Max-Planck-Gesellschaft und seit fünf Monaten im Amt, den Politikern einige unbequeme Wahrheiten nicht.

"Zu breit", was den Gemischtwarenhandel der Forschungsthemen aus Materialforschung, Nanotechnologie, Biomedizin und Sensorik anging; "zu kurz gedacht", was die widersprüchliche Verbindung aus Grundlagenforschung und Anwendungsnähe angeht: Kaupps Urteil über das Caesar-Konzept ist unmissverständlich.

Auch mit Blick auf die Politik: "Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören, aber der politische Einfluss war zu groß." "Geld schießt keine Tore", zitierte der Forscher, der an den Unis Bonn und Köln lehrt, Otto Rehhagel. Genauso verhalte es sich mit der Spitzenforschung.
(Quelle: Bonner Generalanzeiger)
Mal sehen, was da passiert: Ronaldo lässt sich operieren (mehr) und der Chef von CAESAR zitiert Rehagel.

Allerdings:
    "berufen im Juli 2007 nach der Neustrukturierung unter dem Dach der Max-Planck-Gesellschaft und seit fünf Monaten im Amt"
Nach 11 Monaten ist ein Rehagel-Zitat auch nicht gerade ein Volltreffer...

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