Sonntag, 6. September 2009
Nachrichten zwischen Dichtung und Wahrheit
Unstreitiges vorab:
  1. Afghanische Taliban haben vorgestern zwei Tanklastzüge gekapert, sind dann mit den Lastzügen bei einer Flussdurchquerung in der Nähe eines Ortes namens Isarkhel in einer Sandbank stecken geblieben
  2. Ebenfalls vorgestern Nacht haben US-amerikanische Jets zwei Tanklastzüge in Afghanistan bombardiert. Angefordert wurden die Flugzeuge von der (deutschen) Bundeswehr.
  3. Die Bomben haben ihr Ziel getroffen.
  4. Es hat zahlreiche Tote gegeben; die Zahlen schwanken zwischen 50 und 90.
  5. Wie in muslimischen Ländern üblich wurden die Toten direkt, d.h. innerhab von 24 Stunden beerdigt.
Damit endet die Klarheit.

Unklar ist, ob es schuldige Tote (= böse Taliban) oder auch oder nur unschuldige Opfer (= unbeteiligte Zivilisten) waren, die da umgekommen sind.

Gestern las man dazu eine Menge in den Medien, u.a. in der Süddeutschen Zeitung auf Seite 2:
"Nachdenklich stimmt schließlich, wenn die Angaben denn korrekt sind, die kurze Zeitspanne zwischen der Kaperung der Lastwagen um 1.50 Uhr und ihrer Zerstörung um 2.30 Ortszeit. Es gibt Spekulationen, dass die Entführer schon länger im Visier der Isaf waren. Das würde bedeuten, dass bereits der Überfall beobachtet wurde, und es würde erklären, warum die Fahrzeuge so schnell aufgespürt werden konnten. Wie dies möglich war, wollte Dienst im Einzelnen nicht preisgeben. Möglicherweise waren unbemannte Aufklärungsdrohnen im Einsatz. Die knappe Zeit spricht schließlich gegen die Version von den Zivilisten als Spritdieben, denn dass mitten in der Nacht Bewohner eines zwei Kilometer entfernten Dorfes so schnell herbeieilen könnten, ist eher unwahrscheinlich."
(Quelle: Süddeutsche vom 05.09.2009)
Anders liest sich das heute (06.09.09):
Nach Recherchen lokaler Medien befanden sich gegen 23 Uhr viele Zivilisten in der Gegend, die nach Benzin anstanden. Doch gegen Mitternacht hätten viele von ihnen den Ort verlassen. „Wenn die Isaf die Tanklaster früher bombardiert hätte, wären noch sehr viel mehr Menschen getötet worden“, sagt der Journalist Gulrahim Niusmand.
(Quelle:Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)
Wahrscheinlich um die These zu retten, die Toten seien alles "böse Taliban" gewesen, wird in einer Erklärung des Bundesverteidigungsministeriums, nachzulesen ebenfalls in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, der Ort Isarkhel zu einer "Taliban-Hochburg" erklärt...

Wäre nicht gerade Bundestags-Wahlkampf, könnte man abwarten, was jetzt die eine oder andere Untersuchungskommission herausfindet. Die Toten, offenbar meist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, werden nichts über ihre politische Einstellung erkennen lassen.

Doch auch wenn es unschuldige Zivilisten waren, scheint es sich um "Benzin-Diebe" gehandelt zu haben. Bombardieren sollte man sie deshalb zwar nicht.

Aber: Ähnlich wie vor einigen Jahren in Nigeria ist auch diesmal Vorsicht angebracht, an wen man sein Mitleid mit den "unschuldigen Opfern" austeilt.

Update 07.09.2009:
Eine ordentliche Zeitung ist doch tatsächlich in der Lage, sich zu korrigieren.
Inzwischen korrigierte das Verteidigungsministerium seine Darstellung vom Freitag, dass zwischen der Entführung der Laster und der Bombardierung nur 40 Minuten vergangen seien. Vielmehr seien die Lkws zwischen 21 und 22 Uhr gekapert und gegen Mitternacht entdeckt worden. Den Feuerbefehl habe Klein um 1:49 Uhr gegeben.
(Quelle: sueddeutsche.de)
Auch bei der Zahl der Toten gibt es Veränderungen zum Schlechten:
Bei dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff im nordafghanischen Kundus sind nach Angaben des Distrikt-Gouverneurs mindestens 135 Menschen getötet worden, darunter auch Kinder. Der Gouverneur von Char Darah, Abdul Wahid Omarkhel, sagte der Nachrichtenagentur dpa am Montag, er habe eine Liste der Opfer erstellt und der Delegation von Präsident Hamid Karsai übergeben, die den Vorfall untersucht.
Es sei unklar, wie viele der Toten Zivilisten gewesen seien. Unter den Opfern sei aber eine große Anzahl Kinder im Alter zwischen 10 und 16 Jahren.
(Quelle: ZEIT.de)

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Freitag, 4. September 2009
Eine Nichtempfehllung
Heute auf einer "Finissage":

W. G Sebald: ein Schriftsteller, den man lesen muss, wenn man Kafka mag."

Böse Vorahnungen- nachdem man Kafka schon immer als skurril empfand. Nach einem Blick in "Schwindel.Gefühle" ist das Voruteil bestätigt: Alles klar - muss man nicht lesen.

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Mittwoch, 2. September 2009
Alltagssorgen
Die Bundesregierung in Berlin strickt offenbar immer noch an ein paar Milliarden (Euro) mehr, um einer angeblichen Kreditklemme abzuhelfen.
Die Bundesregierung hat staatliche Hilfen zur besseren Versorgung von Unternehmen mit Krediten beschlossen. Damit soll eine - nur möglicherweise drohende - Kreditklemme auf breiter Front verhindert werden.
(Quelle: sueddeutsche.de)
Die Stadtregierung in Bonn wartet nach wie vor auf den Eigenkapitalnachweis der Bauherren des WCCB (World Congress Centrum Bonn).
"... Georg Fenninger (CDU) war auch letzte Woche "nach wie vor optimistisch", dass die abermals von Honua Investment Management Ltd. (Hawaii) versprochenen 30 Millionen Euro bald in der WCCB-Baukasse landen.

Der Optimismus kann nur auf fehlender Kenntnis der Zusammenhänge beruhen: Würde etwa Herr Fenninger für ein Projekt zahlen, wenn ein Gericht ihm gerade bescheinigt hätte, dass ebendieses Projekt längst einem anderen gehört? Natürlich kam das Honua-Geld - mal wieder - nicht, und Verwaltungschefin und Noch-Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann stand wieder einmal mit leeren Händen da.

Hintergrund: Das Zukunftsprojekt Weltkongresszentrum, das bei den Kosten von zunächst 70, dann (mit mehr Hotelzimmern) auf 140 und jetzt fast 200 Millionen Euro davon galoppierte, steckt aus verschiedenen Gründen in der Sackgasse...
(Quelle: Generalanzeiger online)
In Konstanz kann man nicht zwischen Wasser und Formaldehyd unterscheiden.
Passend zum Jahr der Wissenschaft, das Konstanz in diesem Jahr feiert, rief man einen Wettbewerb unter Studenten der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz aus. ... Eine mehrköpfige Jury aus Marketing- und PR-Fachleuten, Unterneh­mern und Amtsleitern der Stadt Konstanz und Wörnle wählte schließlich aus den über 30 Entwürfen einen Gewinner.
...
So machte der Erschaffer des Siegerplakates aus der "Stadt am See" ganz einfach die "Stadt am H2O"...

Von Chemikern wird das Wasser-Molekül dargestellt als ein Sauerstoff-Atom (Symbol O), das über zwei Striche mit zwei Wasser­stoff-Atomen (Sym­bol H) verbun­den ist. Die Striche bilden dabei einen Winkel von etwa 105 Grad.

... Der Student aber zeichnete drei Striche, die einen Punkt mit jeweils zwei Hs und einem O verbinden. Für Chemiker ähnelt diese Formel am ehesten Formal­dehyd, CH2O. Den mit dem Buchstaben C symbo­lisierten Kohlen­stoff lassen sie üblicherweise in der Strich­darstellung weg.

Konstanz - die Stadt am Formaldehyd?
(Quelle: spiegel.de)
Und die deutsche Öffentlichkeit?

Sie streitet über die Abschaffung von Glühbirnen, den Energieverschwendern schlechthin.
Ab diesem Dienstag dürfen Händler keine klassischen 100-Watt-Lampen mehr beziehen, alle matten Glühbirnen sind von dem Verbot ebenfalls betroffen....
Das Verbot der 100-Watt-Birne ist nur der erste Schritt einer europaweiten Umstrukturierung. Bis 2012 verschwinden schrittweise auch klare Glühbirnen mit 75, 60, 40 und 25 Watt sowie herkömmliche Halogenlampen mit geringer Energieausbeute vom Markt. Nur für spezielle Anwendungen sind weiter Glühlampen erlaubt, beispielsweise für Öfen oder in der Tierhaltung.
(Quelle: spiegel.de)
Und auch im Kollegen-Kreis ist das Glühbirnen-Verbot die große Sorge - einer berichtet von einem Ventilator im Bad, der sich nur dann einschaltet, wenn auch die Badezimmerbeleuchtung (mit einer 100-Watt-Birne) eingeschaltet wird. Tauscht er die 100-Watt-Birne gegen eine schwächere Birne oder gar gegen eine Energiesparleuchte, springt der Ventilator nicht an ...

So hat halt jeder seine Sorgen.

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