Samstag, 28. Oktober 2017
#ich-nicht
Seit einigen Wochen rauscht unter dem Hashtag #metoo eine Welle der Empörung durch die Medienwelt: Welch große Überraschung, dass ein eher alter und unattraktiver, aber (einfluss-)reicher Mann jungen attraktiven Frauen an die Wäsche will!

Der unvergleichliche Herr Fischer hat dafür mal wieder in der ZEIT vom Leder gezogen (lässt sich leider nur mit einer Registrierung lesen). Einer der Highlights:
..."Ich auch": Was heißt das überhaupt? Ich auch – was? Auch ich wurde missachtet, selektiert, ausgeschieden, ausgenutzt und gequält: weil ich schwach war, schwul, linksradikal, vorbestraft, weiblich, ausländisch, furchtsam, unerfahren. Große Überraschung! Wer hätte gedacht, dass es so etwas gibt? Oder vielleicht andersherum: Auch ich wurde bevorzugt, weil ich eine Deutsche war, weil ich Ja zu allem gesagt habe, weil ich Chefs nach dem Maul geredet habe, weil ich mich nachgiebig, flexibel, opportunistisch zeigte, weil ich mich von erbärmlichen Wichtigtuern zum Abendessen einladen ließ und ihnen menschliches Interesse vorspielte. Weil ich auf dem Weg zum Taxi mein Händchen auf seinen starken Arm legen musste, weil die Clutch so schwer war und die Absätze so mörderisch und weil ich dachte: Vielleicht hilft es ja. Wie entwürdigend, wie grauenhaft!
...
(Quelle: ZEIT.de)
Man muss Fischer nicht mögen. Aber dass es auch das andere Verhalten der Frauen ("mit einem kurzen Röckchen und einer knappen Bluse gibt es bei Prof. XYZ einfach eine bessere Note") gibt, ist einerseits Allgemeinwissen, andererseits alles andere als in Ordnung. Die sich derzeit outenden metoo-Frauen haben jedes Recht, das (meist strafbare) Verhalten alter Säcke anzuprangern .

Ob es hilft? In der besten aller Welten werden sich zukünftig alle alten Männer nur noch korrekt verhalten. Nur leben wir in einer normalen Welt, in der es abweichendes Verhalten (geschmacklos bis kriminell) dazu gehört. Und wer weiß, vielleicht hat es auch etwas Gutes, dass die Welt so "bunt" ist, wie sie ist.

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Donnerstag, 6. Juli 2017
G20 Gipfel und Antibiotika-Resistenz
Wenn man nicht viel Lust hat, sich um die Details zu kümmern...

Der G20-Gipfel in Hamburg ist nachrichtentechnisch zur Zeit vor allem von zwei Themenfeldern beherrscht:
- die Protestszene (z.B. interessant: fällt ein Zeltlager unter die Versammlungsfreiheit oder die Demonstrationsfreiheit?)
- die Begegnungen von Merkel mit Trump und Erdogan

Auf welches Abschlusskommuniqué man sich einigt, ist angesichts der offen ausgetragenen verbalen Konflikte eher uninteressant - die Erwartungen sind eher niedrig.

Vielleicht gibt es dann aber bei den Randthemen Fortschritte: So wäre es ja ein Riesending, wenn man sich des Themas "Antibiotika-Resistenzen" ernsthaft widmen wollte; sinnvoll wäre ein Antibiotika-Verbot in der Tiermast.

Vielleicht hat die Pharma-Lobby da aber schon im Vorfeld die Sherpas (= die vorbereitenden Verwaltungsleute für den Gipfel) so geimpft, dass da nichts bei rauskommt, was ihre Umsätze schmälert. Wobei das eher kurzsichtig ist - wenn die Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren, bricht in der Pharmaindustrie der Umsatz ohnehin zusammen.

Etwas merkwürdig ist an der ganzen Protestiererei allerdings auch:
Warum protestieren so viele gegen den Gipfel ("Lieber tanz' ich als G20")? Auch wenn der Gipfel nichts bewirkt, es ist allemal besser, sich an einen Tisch zu setzen und zu reden, als Handels- und Klima-Kriege auszufechten.

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Dienstag, 27. Juni 2017
"finis germania"
Das ist der Titel eines Buchs von Rolf Peter Sieferle, einem ordentlichen Professor für "Allgemeine Geschichte" an der Universität St. Gallen.

Die Grammatik im Titel lässt stutzen. Eingängiger wäre "finis germiae". Allerdings darf man bei einem Historiker erwarten, dass er das bewusst so formuliert, wohl im Sinne "Deutschland - das Ende".

Unstreitig ist, dass der Autor sich um das zivilisatorische Wohlergehen Deutschlands gesorgt hat. Ihm werden nationale und rechtsnationale Sentenzen nachgesagt.

Große Aufregung daher, als "finis germania" auf der Liste der Sachbücher des Monats Juni 2017 auftauchte.

Ohne das Buch gelesen zu haben: Mehr oder weniger alle Besprechungen gehen dahin, dass das Buch sprachlich gesehen lesenswert sei. Der überwiegende Teil der öffentlichen Meinung verurteilt das Buch allerdings wegen seiner teilweise wohl arg rechtslastigen Aussagen. Der Spiegel-Redakteur, auf dessen Veranlassung das Sachbuch auf die Liste genommen wurde (Johannes Saltzwedel), trat von seinem Posten in der Jury zurück.

Der Rücktritt ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Herr Salzwedel hat wohl eine Verfahrenslücke ausgenutzt (alle Punkte auf ein Buch gesetzt) und der Algorithmus, der die Jurypunkte auswertet, hat das nicht gemerkt.

Soweit ok. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl. Eine Auseinandersetzung mit dem offenbar gut geschriebenen Buch findet nicht oder nur am Rande statt. Statt dessen streitet man über das Zustandekommen der Sachbuchliste.

Das Büchlein ist aber auch gar nicht so einfach zu bekommen. In der Kulturstadt Weimar erklärte ein engagierter Buchhändler dem Autor, dass er das Buch nicht vorrätig habe, dass das Buch in einem etwas anrüchigen Verlag erschienen sei und dass auch sein Großhändler es nicht vorrätig habe.

Bei Amazon scheint es lieferbar zu sein - 8,90 € sind allerdings zur Befriedigung der Neugier vielleicht etwas viel Geld. Mal sehen, ob es das Buch in einer Bibliothek gibt.

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