Dienstag, 5. April 2011
Fukushima: Wenn das Restrisiko sich realisiert
Nach einem gigantischen Erdbeben am 11. März 2011im Norden Japans hat sich bei einem Kernkraftwerk in der Erdbebenzone das Restrisiko realisert.
Der Begriff Restrisiko umschreibt, juristisch gesehen, jene Gefahren, deren Verwirklichung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik 'praktisch ausgeschlossen' erscheint. Mit anderen Worten: Atomrechtliche Genehmigungen dürfen dann erteilt werden, wenn ein nur theoretisch denkbares Restrisiko besteht. Das hat das Bundesverfassungsgericht 1978 im Kalkar-Beschluss entschieden (Quelle: Süddeutsche.de)
Konkret: In der Provinz Fukushima haben Erdbeben und nachfolgende Tsunami (angeblich bis zu 14 m hoch) das Kernkraftwerk bei Daiiji außer Betrieb gesetzt. Dabei hatten die Betreiber die Reaktoren mit einer Schnellabschaltung noch heruntergefahren. Die Tsunamis jedoch setzten das Kühlsystem der Reaktoren unter Wasser; angeblich waren die Pumpenstationen (oder die Notstromgeneratoren) nur für Tsunamis mit bis zu 5 m Wasserhöhe geschützt.

Seitdem geht es da ziemlich drunter und drüber. Zum Einen haben sich die schnellabgeschalteten Reaktoren überhitzt, zum Anderen ist auch die Kühlung der über den Reaktoren in Abklingbecken gelagerten verbrauchten Brennstäbe ebenfalls über längere Zeit nicht oder nicht ausreichend gekühlt worden.

Eine ganze Zeitlang wurde über eine Kernschmelze spekuliert. Zur Kühlung wurde aus einiger Entfernung Meerwasser in die Ruinen der Kraftwerke gespritzt.

Als man nach einigen Wochen anfing, die Stromversorgung (Beleuchtung) in den Kraftwerken zu reparieren, stieß man - eigentlich nicht überraschend - auf diverse Kanäle, Schächte usw., die unter Wasser standen. Dummerweise ist das Wasser teilweise hochgradig radioaktiv bzw. das Wasser enthält hochradioaktive Elemente.

Derzeit strömt hochradioaktive Wasser aus bislang unbekannten Lecks ins Meer. Versuche, mit Farbe herauszufinden, aus welchen Ritzen und Spalten das Wasser ins Meer kommt, sind bislang fehlgeschlagen.

Paralellel dazu diskutieren einige Experten die Ursache für das hohe Vorkommen von Chlor 38 im Meereswasser. Chlor 38 hat eine Halbwertszeit von 37 Minuten, zerfällt also normaler Weise ziemlich schnell und ist dann eben weg. Fazit der Diskussion: nichts Genaues weiß man nicht, aber vermutlich sind da Brennstäbe, entweder in den havarierten Reaktoren oder in den Ablingbecken, zu heiß geworden und haben wieder angefangen, eine Kettenreaktion auszulösen.

Das klingt alles nicht so, als ob das in den nächsten Wochen in den Griff zu kriegen wäre. Werner Eckert hat dies im Tagesschau-Blog anschaulich dargelegt.

Denn:
  • es gibt keine funktionierende Stromversorgung, also keine Kühlung;
  • es gibt jede Menge hochgradig verstrahltes Wasser, weshalb man auch nicht die Stromversorgung reparieren kann;
  • man kann das Wasser nicht wegpumpen, weil die Auffangbehälter im Kraftwerk bereits mit weniger stark kontaminierten Wasser gefüllt sind.
  • Es gibt Erdbebenschäden (Risse und Spalten) in dem Gebäude.
  • Und es gibt kurzlebige Isotope, die auf eine wieder in Gang gesetzte Kettenreaktion schließen lassen.
Last not least gibt es Zehntausende von Menschen, die aus einem Umkreis von 20 km evakuiert wurden und die wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht wieder zurück können. Nicht zu vergessen: es gibt eine ganze Reihe von Arbeitern auf dem Gelände, die versuchen, die Katastrophe in den Griff zu bekommen.

Wenn man diese Ereignisse aus einem hochtechnologisch organisierten Land (Japan) sich für Deutschland vorstellt, kann man eigentlich nur zu dem Ergebnis kommen: ein solches Restrisiko ist nicht hinnehmbar.

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