Dienstag, 6. März 2007
Krieg und Zeit
Die Gelegenheit, wieder einmal abzulästern, wenn Rechner über so etwas "Einfaches" wie Zeit ins Stolpern geraten, darf man sich ja nicht entgehen lassen:

Wie bei so mancher guten Geschichte kann mal etwas ausholen, damit die Pointe auch wirkt. Also:

Die F 22 Raptor, ein neuer Kampfjet der USA, hat offenbar eine längere Entwicklungsgeschichte hinter sich. Und was im Flugzeugbau eine lange Entwicklungszeit ist, ist in der IT-Technik ein Zeitalter.
"Die F-22 Raptor ist das modernste Kampfflugzeug der US-Luftwaffe. Es wird von den US-amerikanischen Herstellern Lockheed Martin und Boeing gebaut, und ist seit Mitte Dezember 2005 offiziell einsatzbereit.
(Quelle: Wikipedia zu F 22)
Soweit klar - nur schon mal für später vormerken: das Flugzeug befindet sich seit Mitte Dezember 2005 offiziell im Einsatz.
Das Programm zur Entwicklung eines Advanced Tactical Fighter ("fortschrittlicher taktischer Jäger") wurde Anfang der 80er Jahre gestartet...
(Quelle: Wikipedia zu F 22)
Schön - die Projektierung begann vor jetzt locker 25 Jahren. Gut Ding will eben Weile haben. Aber weiter im Text:
In der F-22 wurde nun erstmals ein vollintegrierter Bordcomputer von Raytheon eingesetzt. Die Systeme werden durch Lichtleiter mit einem zentralen Rechner verbunden, der alle Funktionen des Flugzeuges überwacht und kontrolliert. Er besteht aus maximal 66 Signal- und Datenverarbeitungsmodulen. Die CPU erreicht 700 MIPS, während die Signalverarbeitungsgeschwindigkeit bei 20 Gigaflops liegt, was zum Zeitpunkt der Entwicklung der Leistung eines Supercomputers entsprach. In einer F-22 befinden sich zwei dieser Rechner, mit Platz für einen Dritten.
(Quelle: Wikipedia zu F 22)
"Supercomputer" mit 700 MIPS (Million Instructions per Second)? Wohl auch nur mit den Maßstäben der 80er: ein 64er Athlon erreichte 2005 mehr als das Zehnfache (Wikipedia zu MIPS). Das Folgende wundert einen dann auch nicht mehr:
... Durch die lange Entwicklungszeit des Flugzeugs wurde die F-22 vom technischen Fortschritt in der Mikroprozessortechnik überholt: Ende der 80er Jahre hatte der für die Bordcomputer zuständige Hersteller Hughes bei BiiN, einem Joint Venture von Intel und Siemens, Prozessoren des damals noch in der Entwicklung befindlichen Typs 960MX lizenziert.

Nach dem Ausstieg von Siemens aus dem BiiN-Projekt kam die 960MX zu Intel. Bis Mitte der 1990er Jahre wurden abgespeckte Varianten der CPU auch an nicht-militärische Kunden als Mikrocontroller vermarktet.

Nachdem die Produktion der "zivilen" i960-Varianten auslief, kam Intel in die Situation, auf unbestimmte Zeit speziell für das auf der Stelle tretende F-22-Projekt eine völlig veraltete Produktionslinie vorhalten zu müssen.

2003 teilte Intel der Air Force mit, dass man nicht mehr bereit sei, diese immensen Kosten weiterhin zu tragen, und die Produktion der i960MX endgültig im Januar 2004 einstellen werde.
(Quelle: Wikipedia zu F 22)
Die Entscheidung von Intel ist plausibel und vernünftig. Wie nicht anders zu erwarten, entscheidet das Militär darauf hin jedoch leicht hektisch und irrational:
"...Die Air Force reagierte mit einem aus heutiger Sicht völlig unsinnigen Hamsterkauf und nahm zum Schluss noch einmal 820 Stück ab. Die Stückzahl hätte lediglich ausgereicht, um 155 F-22 mit CPUs zu bestücken – also viel zu wenig.

Erst danach fiel die Entscheidung, die teuer eingekauften i960MX und die dafür entwickelte Software der F-22 zu entsorgen und mit einer komplett neuen Hardwareplattform auf Basis von PowerPC-Prozessoren neu zu beginnen ..."
(Quelle: Wikipedia zu F 22)
Das scheint nun abgeschlossen zu sein - wir verlassen die schöne Erzählung in der Wikipedia und wenden uns dem realen Geschehen im Februar 2007 zu, wohl gemerkt 25 Jahre nach den ersten Planungen und immerhin knapp 2 Jahre nach der offiziellen Indienststellung der F-22 Raptor.
Softwareprobleme beim neuen US-Kampfjet F-22 Raptor.
Durch einen Bug, der das Navigationssystem ausschaltete, war es bis vor kurzem nicht möglich, eine Datumsgrenze ohne Probleme zu überfliegen.
Wenn dies doch geschah, wie im Februar, als die Piloten der US-Air-Force auf dem Weg nach Japan waren, stürzte die gesamte Bordelektronik ab und zwang die Piloten zu einer Notlandung. ..."
(Quelle: sco world.de)
Seit ca. 2 Jahren fliegt die US-Luftwaffe mit dem "modernsten Kampfflugzeug", konnte aber bislang nicht die Datumsgrenze überfliegen ...

Die Zeit heilt alle Wunden, angeblich kann die F 22 jetzt mit neuer Software sogar bis nach Japan fliegen...
Nachtrag vom 7.3.2007
Via lostfocus stößt man auf die Mitschrift einer CNN-Sendung vom 24.2.2007, in der "Retired Air Force Major General Don Shepperd" über das Geschehen folgendes berichtet:
"The F-22 Raptor is our frontline fighter, air defense, air superiority. It also can drop bombs. It is stealthy. It's fast and you want it all to go right on your first deployment to the Pacific and it didn't. At the international date line, whoops, all systems dumped and when I say all systems, I mean all systems, their navigation, part of their communications, their fuel systems. They were -- they could have been in real trouble. They were with their tankers. The tankers - they tried to reset their systems, couldn't get them reset. The tankers brought them back to Hawaii. This could have been real serious. It certainly could have been real serious if the weather had been bad. It turned out OK. It was fixed in 48 hours. It was a computer glitch in the millions of lines of code, somebody made an error in a couple lines of the code and everything goes."...
(Quelle: Mitschrift vom 24.2.2007, 19:00 ET CNN.com)

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