Dienstag, 20. März 2007
Alkohol am Lenker
Wie der Autor hier schon mehrfach hat durchblicken lassen, fährt er meist Fahrrad. Und wie das Leben so spielt, gelegentlich auch unter Alkoholeinfluss. Daher liest er folgende Meldung im Bonner Generalanzeiger besonders wahr:
""In den letzten beiden Jahren haben Alkohol-Unfälle bei Radfahrern zugenommen", sagte Polizeihauptkommissar Gerd Brendel. Teilweise seien bei Radfahrern "astronomische Werte von über zwei Promille" festgestellt worden.

Die reichen aus, um nicht nur ein Bußgeld zu bezahlen und Punkte in Flensburg zu bekommen - auch der Führerschein muss bei dem ein oder anderen dran glauben, eine medizinisch-psychologische Untersuchung wird dann auch für alkoholisierte Radfahrer fällig. Wer Alkohol im Blut hat und Ausfallerscheinungen zeigt, also zum Beispiel Schlangenlinie fährt oder stürzt, der wird bestraft, erklärt Brendel.

Das heißt, dass jemand, der mit 0,9 Promille geradeaus fährt, nichts zu befürchten hat - außer, dass er dazu aufgefordert wird, sein Fahrrad zu schieben. Wer allerdings mit der gleichen Promillezahl einen Unfall baut oder bei Rot über die Ampel fährt, muss die Konsequenzen tragen.

Befindet die Staatsanwaltschaft auf Trunkenheit im Straßenverkehr, können mehrere hundert Euro fällig werden - plus drei Punkte in Flensburg, sagt Brendel. Und auch die Versicherungen zahlen nicht, wenn der Radfahrer betrunken war: "Die private Haftpflichtversicherung reguliert bei grober Fahrlässigkeit den Schaden nicht. Prinzipiell gilt, dass Radfahrer ab 1,6 Promille absolut fahruntauglich sind", sagt Brendel. Die Praxis aber zeige, dass das schon früher der Fall sei: "Wer kann schon mit mehr als einem Promille noch geradeaus fahren?"

(Quelle: Ayla Jacob in Bonner Generalanzeiger online)
Auf die offenkundig rhetorische Frage "Wer kann mit mehr als einem Promille noch geradeaus fahren?" möchte man der Verfasserin schon gern "ich" antworten. Vermutlich aber kann das jeder, der von Jugend an regelmäßig Fahrrad gefahren ist und nicht abstinent lebt. "Geradeaus Fahren" ist auf dem Fahrrad nur schwierig, wenn man langsam fährt. Ab einer gewissen Geschwindigkeit geht's mehr oder weniger automatisch geradeaus.

Die in dem Artikel aufgeworfenen Promille-Grenzen werfen aber noch ganz andere Fragen auf. So fragt der Jurist meist: "Wo steht das?"

Einfach ist die Frage nach der 0,5 Pormille-Grenze. Die steht in § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG):
§ 24a StVG 0,5 Promille-Grenze
(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt. ..."
(Quelle: Juris § 24a StVG)
Nun ist ein Fahrrad kein Kraftfahrzeug, daher gilt die 0,5-Promille-Grenze für Fahrradfahrer nicht. Nur zur Erinnerung: § 1 Abs. 2 StVG:
"Als Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes gelten Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein."
(Quelle: Juris § 1 StVG)
Sehr viel zackiger regelt § 316 Strafgesetzbuch die Alkoholfahrt:
§ 316 StGB Trunkenheit im Verkehr
(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315d) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, ..."

(Quelle: Juris § 316 StGB)
Da geht es nur noch um das Führen eines Fahrzeugs, nicht mehr eines "Kraft-"fahrzeugs. Trunkenheit im Verkehr ist also eine Straftat, auch auf dem Fahrrad. Allerdings fehlt hier eine scharfe Promille-Grenze. § 316 StGB stellt jede alkoholbedingte Unfähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen, unter Strafe. Nach Promillen wird da nicht gefragt.

Und nun die 1,60 ‰: dazu findet man im StVG oder in der StVO nichts. Wer nach dieser Promille-Grenze googelt, findet dann zwar eine Menge brauchbarer Hinweise. Am gelungensten scheint folgende Übersicht hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt auf dem Fahrrad:
1.) Sollten es unter 1,6 Promille BAK bleiben und keine Ausfallerscheinungen vorgelegen haben, dann passiert nichts.

2.) Sollten es unter 1,6 Promille sein und Ausfallerscheinungen vorgelegen haben, dann ist es eine Straftat, ca. 30 Tagessätze (1TS=Monatsnetto/30), 7 Punkte im VZR.

3.) Sollten es über 1,6 Promille sein ist es ebenfalls eine Straftat (siehe 2.) , zusätzlich wird die FEB eine AlkoholMPU (383€) fordern. Wird diese nicht innerhalb der Frist beigebracht oder fällt neg. aus wird der Führerschein entzogen. Ein direkter FE-Entzug vor der MPU kann nicht erfolgen da kein Kraftfahrzeug geführt wurde.
(Quelle: Forum Jurathek zu Fahrrad)
Einiges scheint darauf hinzudeuten, dass "die Rechtsprechung" für die 1,6-Promille-Grenze verantwortlich ist. (mehr bei www.pdeleuw.de). Justitia ("nulla poena sine lege") hält sich da in Sachen "Transparenz" einigermaßen bedeckt. Dass man dem Radfahrer das Studium der Rechtsprechung zumutet, um zu ermitteln, ob er noch mit dem Fahrrad nach Hause fahren darf, ist schon etwas eigenartig.

Sicherlich ist es richtig und wichtig, Alkohol im Straßenverkehr weitestgehend zu sanktionieren. Im Jahr 2001 gab es rund 65.000 Verkehrsunfälle mit Alkoholbeteiligung, dadurch starben immerhin 909 Menschen (Quelle: Wikipedia).

Unbefriedigend ist es allerdings, wenn Autofahrer und Fahrradfahrer einheitlich nach § 316 StGB bestraft werden. Immerhin ist es erheblich gefährlicher, wenn man betrunken mit einem 1000 kg schweren Auto durch die Gegend heizt als wenn man mit einem 15 kg schweren Fahrrad unterwegs ist.

Für die Praxis daher eine Faustregel:
"Trinkt ein 70 kg schwerer Mann innerhalb einer Stunde 1 Liter Bier mit 5% Alkoholgehalt, erreicht er etwa 0,5 Promille; trinkt er aber 1 Liter Rotwein mit 14% Alkohol, erlangt er rund 2 Promille..."
(Quelle: Wikipedia Blutalkoholkonzentration)
1,6 Promille entsprechen dann also mehr als 3 Litern Bier. 14%-iger Rotwein ist schon ein ziemliches Kaliber - eine ganze Flasche (mit 0,7 Liter) reicht meist für die nötige "Bettschwere". ...

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