Montag, 3. September 2007
"Pflege"versichert
Da kann sich schwindelig lesen: der Eintrag zur Pflegeversicherung in der Wikipedia.

Unabhängig davon, ob man das alles auch verstanden hat, kommt in der Praxis unweigerlich der Moment, in dem man die Leistungen von etwas in Anspruch nehmen muss, was man eigentlich nicht richtig verstanden hat.

Muss man aber auch nicht verstehen. Da gibt es Ärzte und Pfleger, ein Pflegegutachten (Einstufung in eine Pflegegruppe) und so nette Sachen wie "Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung".

Wichtig - die Pflegebedürftigkeit muss "erheblich" sein:
Pflegestufe I – erhebliche Pflegebedürftigkeit, d. h. Hilfebedarf mindestens 90 Minuten pro Tag. Auf die Grundpflege müssen dabei mehr als 45 Minuten täglich entfallen.
(Quelle: Wikipedia)
46 Minuten Grundpflege, dass ist das Maß aller Dinge, um überhaupt von der Pflegeversicherung partizipieren zu können.

"Pflegebedürftig" und "erheblich" sind dabei ziemlich relativ: Demenz zum Beispiel begründet an sich noch kein Pflegebedürftigkeit: solange die Person noch für sich sorgen kann, ist sie nicht pflegebedürftig, auch wenn sie ununterbrochen beaufsichtigt werden muss.

Den richtigen Schwung für das Thema kriegt man mit folgender Mitteilung aus der letzten Woche:
Am Freitag hatte der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) einen neuen Bericht vorgestellt. Danach leidet jeder zehnte Heimbewohner unter Gesundheitsschäden, weil er falsch versorgt wird. Von den Daheimlebenden leidet nur jeder zwanzigste unter solchen Mängeln.

Nach den MDS-Angaben werden 34 Prozent der Heimbewohner und 29 Prozent der alten Menschen zu Hause nicht ausreichend mit Essen und Trinken versorgt. Weil die Bettwäsche zu selten gewechselt werde, lägen sich viele wund. Im Vergleich zu 2004 habe sich die Lage aber insgesamt leicht verbessert, hieß es. Für die Studie hatte der MDS Heime und 40.000 Hilfebedürftige untersucht...."
(Quelle: a href="http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/967/130739/">Süddeutsche.de)
Fazit: Zuhause läuft es nicht gut, aber besser. Und was halten wir von solchen Zuständen?
"Was wäre eigentlich los, wenn kleine Kinder per Nasensonde ernährt würden, weil das Füttern zu lang dauert? Was wäre, wenn kleine Kinder in der Krippe regelmäßig gefesselt würden? Was wäre los, wenn sich ein so gefesseltes Kind zu Tode strangulierte, weil das Betreuungspersonal die Gurte falsch angelegt hat? Der Hort würde umgehend geschlossen, das Personal angeklagt.

Wenn hingegen Alte so malträtiert werden, herrscht Nachsicht - weil, wie es gern heißt, dieses Leben ja kein Leben mehr gewesen sei. Auf diese Weise wird der Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Würde des Menschen für unantastbar erklärt, insgeheim mit einem Zusatz versehen: " ... es sei denn, er ist altersdement oder hat Parkinson".
(Quelle: Heribert Prantl in der Süddeutsche Zeitung vom 3.9.2007, S. 13, wohl nur im Bezahl-Content)
James Dean - unser aller Vorbild: wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben.

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