französische und deutsche Privatkopie
In Frankreich verabschiedet die Nationalversammlung am 21.3.2006 ein Gesetz zum Kopierschutz:
"...Mit der Endfassung sollen mit dem Gesetz erstmals auch in Frankreich Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) rechtlich abgesichert und ihre Umgehung strafbar werden. Die Möglichkeiten zur Erstellung von Privatkopien oder andere Einschränkungen des Verwertungsrechts etwa zu Gunsten von Behinderten müssen bei digitalen Medien künftig hinter den technischen Schutzmaßnahmen zunächst zurückstehen.
Die Novelle enthält aber auch eine relativ weite Interoperabilitätsklausel: Danach müssen die technischen Ausrüster von Kopierschutzmechanismen im Bedarfsfall alle technischen Informationen herausgeben, die für das nahtlose Zusammenspiel verschiedener Systeme und Abspielgeräte erforderlich sind. Damit soll ausdrücklich die Dekompilation von DRM-Software ermöglicht werden.
(Quelle: heise online vom 22.03.2006)
Apple hat deswegen schon Bauchschmerzen bekommen und überlegt, sich aus dem französischen online-Verkauf von Musik zurückzuziehen (lies mehr bei
heise online vom 22.03.2006).
Anders die Situation in Deutschland. In Deutschland beschließt die Bundesregierung am 22.03.2006, das heißt einen Tag nach dem Beschluss der französischen Nationalversammlung, einen urheberrechtlichen
Gesetzesentwurf (pdf-Dokument, 82 Seiten, 650kB) und erläutert dazu u.a.:
"...
2. Kopierschutz setzt der Privatkopie Grenzen
Seit dem „Ersten Korb“ sind der Privatkopie durch technische Schutzmaßnahmen Grenzen gesetzt. Es gilt: „Kopierschutz-Knacken ist verboten!“ Diese Regelung ist durch EU-Recht zwingend vorgegeben. Bei dieser Regelung bleibt es: Es gibt keine Durchsetzung der Privatkopie gegen Kopierschutz. Denn: Die Rechtsinhaber können sich durch technische Maßnahmen selbst schützen, und der Gesetzgeber darf ihnen diesen Selbstschutz nicht aus der Hand schlagen. Es gibt kein „Recht auf Privatkopie“ zu Lasten des Rechtsinhabers. Dies lässt sich auch nicht aus den Grundrechten herleiten: Eine Privatkopie schafft keinen Zugang zu neuen Informationen, sondern verdoppelt lediglich die bereits bekannten.
(Quelle: Pressemitteilung des BMJ)
Also:
Frankreich setzt auf ein firmenübergreifendes Rechtemanagement und will damit offenbar dem Endnutzer den Umgang mit digitalen Rechten erleichtern.
Deutschland kriminalisiert hingegen das Entschlüsseln (Dekompilieren) der digitalen Rechte.
Und beide berufen sich auf zwingende Vorgaben der EU, nämlich die
Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft
Amtsblatt Nr. L 167 vom 22/06/2001 S. 0010 - 0019
(Link EU-Dokumenten-Server)
Schon erstaunlich, wie unterschiedlich Franzosen und Deutsche mit derselben Richtlinie umgehen.
Beide haben in gewisser Weise das Recht auf ihrer Seite, die Deutschen beziehen sich auf die Regelung der Privatkopie und des Verschlüsselungsschutzes:
"...
Artikel 5
Ausnahmen und Beschränkungen
(1) ...
(2) Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen:
a) in Bezug auf Vervielfältigungen auf Papier ....;
b) in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden;
...
Artikel 6
Pflichten in Bezug auf technische Maßnahmen
(1) Die Mitgliedstaaten sehen einen angemessenen Rechtsschutz gegen die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen durch eine Person vor, der bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass sie dieses Ziel verfolgt.
(Quelle Richtlinie 2001/29/EG)
Die Franzosen regeln die Details, wie die technischen Schutzvorkehrungen auszusehen haben, die Deutschen schützen die von den Firmen entwickelten Schutzvorkehrungen. Beides erscheint zulässig, widerspricht sich aber im Ergebnis.
Nota bene:
Nach der EU-Richtlinie gibt es kein originäres EU-Recht auf eine Privatkopie, aber die Mitgliedsstaaten können ein solches Recht schaffen. Diesen Umstand unterschlägt das Bundesjustizministerium in der oben zitierten Pressemitteilung ganz locker eben mal, obwohl er vielleicht doch nicht ganz unwichtig wäre.
Varzil erinnert sich an regelmäßig stattfindende deutsch-französische Gespräche, sogar an eine gemeinsame Kabinettssitzung. Was mögen die da beraten? Ob die die Richtlinie und das, was sie da jeweils beraten, überhaupt verstehen?
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