Donnerstag, 2. März 2006
semper reformanda
Schon seit Jahrhunderten heißt es: Manche mögen ein lautes Ausrufezeichen dahinter sehen, andere ein eher leicht verzweifeltes Fragezeichen.

Seit 1996 laborieren die deutschsprachigen Länder an einer Reform der Rechtschreibung. Zuletzt hatte die KMK vor ca. einem Jahr versucht, dem immerwährenden reformatorischen Prozess ein Ende zu setzen (Koriander vom 3.06.2005).

Was damals im idyllischen Quedlinburg nicht gelang, soll heute im Zweckbau der Landesvertretung von Schleswig-Holstein in Berlin (nota bene die Adresse: "in den Ministergärten") gelingen.
Und es ward ein Ergebnis kund, noch während sie tagen:
    "In einigen Punkten ist die 1996 beschlossene Rechtschreibreform wieder geändert worden. Die Kultusminister folgten den Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung.
    ...
    Dies erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag aus Teilnehmerkreisen der Kultusministerkonferenz. ...
    (Quelle: netzeitung)

Mehreres scheint bemerkenswert:

  1. Man (also die KMK) will sich einigen, aber die Schweiz (die hat eine eigene KMK, die heißt da aber Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), was scharf an die EKD erinnert ...) will lt. Netzeitung vorerst nicht mitmachen, dafür aber Bayern und Nordrhein-Westfalen. An den Einklang dieser beiden deutschen Länder hat Varzil sich übrigens immer noch nicht gewöhnt ...
  2. Für die Inhalte der beschlossenen Änderungen interessiert sich offenkundig kaum noch jemand.
  3. Wer sich dennoch interessiert, stößt auf ein grundlegendes Papier (d.h. eine 4-seitige pdf-Datei) der Geschäftsstelle des Rats für Deutsche Rechtschreibung. Insbesondere die Seite 4 dieser Zusammenfassung der Vorschläge ist von strahlend weißer reiner Überzeugungskraft: Sie ist leer ...
Wie gesagt: "semper reformanda".

Bleibt abzuwarten, was den 26 Kantonen der Schweiz und den 9 Bundesländern Österreichs und wem sonst noch alles einfällt. Die deutschen Länder haben da ja mit beispielhafter Vielseitigkeit einen interessanten Weg zu quasi-religiösen Zuständen "semper reformanda" vorgezeichnet.

Und der bemerkenswerte Verbund von Bild ("Schlechtschreibung") und FAZ lässt vermuten, dass die Debattanten wieder nach Haaren in der Regel-Suppe suchen - denn nur die Rechtschreibung zwischen 1940 und 1996 ist natürlich die allein heil- und segenbringende Rechtschreibung, vermutlich deshalb, weil die Debattanten sie als einzige halbwegs beherrschen ... -

Und sie werden Haare finden, weil es eben spätestens seit Kurt Gödel (Bild und Link von wikipedia) klar ist, dass es keine in sich widerspruchsfreien Regelsysteme gibt. Nicht nur Pedanten, seien es nun Mathematiker oder Rechtschreibfunktionäre, werden Wert darauf legen, dass Gödels Unvollständigkeitssatz sicherlich und ganz gewiss nichts, aber auch gar nichts, mit Rechtschreibregeln zu tun hat.
    "Der gödelsche Unvollständigkeitssatz beschäftigt sich mit der Ableitbarkeit von Aussagen in formalen Theorien. Der Satz zeigt die Grenzen der formalen Systeme ab einer bestimmten Mächtigkeit auf. "Es läßt sich überhaupt jede epistemologische Antinomie zu einem derartigen Unentscheidbarkeitsbeweis verwenden". ...(Quelle: wikipedia.org)

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