Dienstag, 7. November 2006
virtuelle Vandalen bei der SZ
varzil, 16:11h
Vor kurzem gab es hier schon einmal Anlass, über Vandalismus zu schreiben, als der Japanische Garten in Bonn teilweise demoliert wurde.
Eine Diskussion bei Heise.de zu einer eher nebenbei geschriebenen Anmerkung lässt einen erneut stutzen. Auslöser der Diskussion bei Heise.de war folgender Absatz:
Die Mehrheitsmeinung hält das für einen schlechten Test: Der Artikel bringt keine zusätzliche Information - die Möglichkeit, dass die Informationen falsch sind, sollte jeder Wikipedia-Leser kennen. Der Test selbst aber könnte durch das (laut Ales Rühle "harmlose") Verfälschen von Informationen über einen Zeitraum von 4 Wochen den einen oder anderen Leser in die Irre geführt haben. Wie "harmlos" die Desinformation ist, kann man beim Verfälschen der Information nicht abschätzen. Wenn der Fehler z.B. in ein Referat, einen Vortrag etc. übernommen wird, kann das üble Auswirkungen haben (Blamage, schlechte Note, Imageverlust - siehe nur das Beispiel "Geschichtsklitterung").
Vergleichbar erscheint diese Informationsverfälschung mit dem Fälschen eines Busfahrplans an einer Haltestelle. Auch da ist der Schaden im Großen und Ganzen minimal ("harmlos"). Wer da allerdings auf den fälschlich angekündigten Bus wartet, sieht das sicher ganz anders.
Erstaunlich, dass sich Journalisten einer namhaften Zeitung zu so etwas hergeben. Und das sehenden Auges. Nicht etwa aus Gedankenlosigkeit. Denn wie beschreibt Alex Rühle doch gleich das Wikipedia-Fälschen?
Eine Diskussion bei Heise.de zu einer eher nebenbei geschriebenen Anmerkung lässt einen erneut stutzen. Auslöser der Diskussion bei Heise.de war folgender Absatz:
- "...Wenig amüsant fand die deutsche Wikipedia-Gemeinde ein Experiment der Süddeutschen Zeitung. Mitarbeiter der Tageszeitung hatten 17 Falschinformationen in die Wikipedia gestellt, um zu dokumentieren, ob und wann die Fehler korrigiert werden. Immerhin fand die Wikipedia-Gemeinde 12 von 17 Fehlern, bevor der Artikel publiziert wurde. Die Recherchemethode fanden die Wikipedianer jedoch gar nicht angemessen und reagierten verschnupft: Sie sperrten die IP der Süddeutschen Zeitung für die nächsten drei Monate. (Torsten Kleinz) / (jk/c't)"
(Quelle: Heise.de vom 6.11.2006)
- "...Von unseren 17 Anfang Oktober gefälschten Einträgen wurden zwölf entdeckt. Fünf aber standen bis Freitagabend noch in der Wikipedia, immerhin ein Viertel (siehe Kasten).
- Auf Nancy Reagans Wunsch spielte die Schwulen-Band Village People zum Amtsantritt ihres Mannes im Weißen Haus "YMCA". (nach 2 Minuten)
- In den siebziger Jahren wuchs Orhan Pamuks Freundschaft zu dem Waliser Lyriker Joseph Smith, der ihn bestärkte, sich nur noch dem Schreiben zu widmen. (nach 30 Minuten)
- Im Malawisee gibt es Krabbelbarsche und Wundaale (nach 69 Minuten.)
- Der Begriff Geschichtsklitterung geht auf K. Kujau zurück, der vor Gericht behauptete, das Papier der Hitlertagebücher sei immerhin klitterfrei gewesen. (nach 2 Stunden)
- Christian Kracht lebt heute in Luxemburg. (nach 3 Tagen)
- Die fünf Millionen Besucher, die den Schlosspark Nymphenburg in München jährlich heimsuchen.
- Astrid Lindgren veröffentlichte ihre ersten Kindergeschichten in der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter.
- Walt Disneys Hund Pluto wurde zum Maskottchen der Interessengruppe, die dem Himmelskörper wieder zum Rang eines Planeten verhelfen will, der ihm aberkannt wurde.
- Unter "Fälschung": die 1963 in Umlauf gebrachten Fahrpläne des Verkehrsverbands von Wolfsburg, die zu wochenlangen Verspätungen der VW-Schichtarbeiter und zu Entlassungen wegen Unpünktlichkeit führten.
Fehler, die entdeckt wurden: |
Nicht entdeckt wurden:
|
(Quelle: Alex Rühle in Süddeutsche vom 4.11.2006, nur gegen Geld lesbar)
Die Mehrheitsmeinung hält das für einen schlechten Test: Der Artikel bringt keine zusätzliche Information - die Möglichkeit, dass die Informationen falsch sind, sollte jeder Wikipedia-Leser kennen. Der Test selbst aber könnte durch das (laut Ales Rühle "harmlose") Verfälschen von Informationen über einen Zeitraum von 4 Wochen den einen oder anderen Leser in die Irre geführt haben. Wie "harmlos" die Desinformation ist, kann man beim Verfälschen der Information nicht abschätzen. Wenn der Fehler z.B. in ein Referat, einen Vortrag etc. übernommen wird, kann das üble Auswirkungen haben (Blamage, schlechte Note, Imageverlust - siehe nur das Beispiel "Geschichtsklitterung").
Vergleichbar erscheint diese Informationsverfälschung mit dem Fälschen eines Busfahrplans an einer Haltestelle. Auch da ist der Schaden im Großen und Ganzen minimal ("harmlos"). Wer da allerdings auf den fälschlich angekündigten Bus wartet, sieht das sicher ganz anders.
Erstaunlich, dass sich Journalisten einer namhaften Zeitung zu so etwas hergeben. Und das sehenden Auges. Nicht etwa aus Gedankenlosigkeit. Denn wie beschreibt Alex Rühle doch gleich das Wikipedia-Fälschen?
- "... Larry Sanger, der Mitbegründer der Wikipedia, verließ aus diesem Grund schon 2001 das Unternehmen. Er habe es "nicht mehr ertragen, dass Laien alles mit Hohngelächter kommentieren dürfen, was ein Experte sagt", schrieb er im Rückblick. Für ihn ist die Anonymität der Wikipedia ihr größtes Problem, ziehe sie doch Leute an, die "Randale machen wollen".
Unter dem Begriff "Vandalismus" steht zu lesen, es gelinge der Community, "die durch ,Vandalen‘ verursachten Schäden weitestgehend wieder rückgängig zu machen." Nun ja. ..."
(Quelle: Alex Rühle in Süddeutsche vom 4.11.2006, nur gegen Geld lesbar)
- "Unter Vandalismus (auch „Wandalismus“) versteht man in der Regel (blinde) Zerstörungswut oder Zerstörungslust. Vandalismus ist bewusste, illegale (bzw. normenverletzende) Beschädigung oder Zerstörung fremden Eigentums als Selbstzweck. ...
(Quelle: Wikipedia zu Vandalismus)
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dirk olbertz,
Dienstag, 7. November 2006, 21:41
Es zeigt aber trotzdem sehr gut die Problematik der Wikipedia. Und gerade weil sie inzwischen so oft als (einzige) Quelle genutzt wird, ist es meiner Meinung nach legitim, dies zu hinterfragen und zu testen.
Viel zu häufig wird bei ähnlichen Argumentationen, jedoch ohne praktische Änderung, ja argumentiert, dass die Community schnell genug reagieren würde.
Viel zu häufig wird bei ähnlichen Argumentationen, jedoch ohne praktische Änderung, ja argumentiert, dass die Community schnell genug reagieren würde.
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varzil,
Mittwoch, 8. November 2006, 08:52
Das ist aber doch nicht wirklich eine "neue" Erkenntnis - vielmehr liegt es auf der Hand, dass abseitige Wissensgebiete selten gelesen werden und dass deshalb ein absichtlicher oder unabsichtlicher Fehler selten oder nie auffallen wird. (Das ist letztlich bei Enzyklopädien in Buchform nicht anders).
Gerade wenn die WP oft als einzige Informationsquelle benutzt wird, wirkt das Testen des Reparaturmechanismus wie ein "Herumspielen" am lebenden Organismus: man weiß nicht, was das für Auswirkungen hat.
Und noch was:
Wenn man sich die Versionsverwaltung ansieht, sind die Änderungen eher Mitte Oktober erfolgt, "Christian Kracht" z.B. am Freitag, den 13.10.2006, "Fälschung" erst am 15.10.2006. Alex Rühle schreibt jedoch, "Anfang Oktober" seien die Fälschungen vorgenommen worden. Auch das trägt nicht dazu bei, dass die Aktion an Überzeugungskraft gewinnt: Die kritisierte Community hatte also nicht 4 Wochen, wie in dem Artikel angedeutet, sondern gerade mal 2 - 3 Wochen Zeit für Korrekturen.
Gerade wenn die WP oft als einzige Informationsquelle benutzt wird, wirkt das Testen des Reparaturmechanismus wie ein "Herumspielen" am lebenden Organismus: man weiß nicht, was das für Auswirkungen hat.
Und noch was:
Wenn man sich die Versionsverwaltung ansieht, sind die Änderungen eher Mitte Oktober erfolgt, "Christian Kracht" z.B. am Freitag, den 13.10.2006, "Fälschung" erst am 15.10.2006. Alex Rühle schreibt jedoch, "Anfang Oktober" seien die Fälschungen vorgenommen worden. Auch das trägt nicht dazu bei, dass die Aktion an Überzeugungskraft gewinnt: Die kritisierte Community hatte also nicht 4 Wochen, wie in dem Artikel angedeutet, sondern gerade mal 2 - 3 Wochen Zeit für Korrekturen.
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