Montag, 23. April 2007
Musik a la surprise
varzil, 18:21h
Ein netter Zug der Kölner Philharmonie: Bezieher des Newsletters können immer wieder mal an Karten-Verlosungen teilnehmen.
So auch letzten Freitag: Um 13:08 Uhr trudelt eine E-Mail ein, dass man Konzertkarten für Sonntag Abend gewinnen könne, wenn man bis um 15 Uhr sich mit der richtigen Antwort auf eine Frage zum Konzert per E-Mail meldet. Die positive Antwort trudelt zwei Stunden später ein. So erhebt sich die Frage, auf was man sich da eigentlich eingelassen hat.
Denn nicht immer sind die Konzertankündigungen selbsterklärend, so auch diesmal:
"Kult-"Filmkomponist? Welcher Kult huldigt denn Goran Bregovic?
Und wenn man nach Goran Bregovic sucht, stößt man auch auf folgenden Satz:
"...Wer das Neue scheut, möge der Veranstaltung fernbleiben ..." klingt nicht so richtig einladend. Zumal wenn man weiß, dass die Kölner Triennale ein Schwerpunktthema "Luciano Berio" ist.
Also gewappnet darauf, dass einem da Musik eines manischen Neutöners um die Ohren gepfeffert wird, macht man sich auf den Weg.
Schon das Konzertpublikum allerdings unterscheidet sich von dem "üblichen" Publikum eines Konzerts für moderne E-Musik: man sieht keine schwarzgekleideten, rauchenden klapperdürren Hochintellektuellen, hört auch kein sinnentleertes "Aber Adorno schreibt doch ...", hört dafür relativ viel Balkan-Sprachen und sieht statt "graue Wolke" eine Menge Besucher aus der Altersklasse 20 - 50.
Und dann tritt zunächst das "Absolute Ensemble" unter Kristjan Järvi (Bild rechts bei www.tonkuenstler.at) auf und beginnt mit einem fetzigen, durch ein jauligesazziges Solo einer auf High-Heels daherkommenden asiatischen Klarinettistin eingeleitetes Intro.
Wenig später taucht aus einem der Zuschauereingänge die "Wedding and Funeral Band" auf mit zwei bulgarischen Sängerinnen und grooven mit heftigem Brass-Sound mit. Goran Bregovic (im weißen Anzug und mit E-Gitarre wie auf dem Bild links bei www.daltrocanto.altervista.org) begrüßt das Publikum in nuscheligem "broken english".
Und es geht los mit Balkan-Rhythmen, Brass-Sound, Bulgaren-Quäke-Gesang und alles passt; auch als die fünf Streicher des Absolute Ensemble sich der Tonsprache von Luciano Berio bemächtigen, geht das, unter anderem auch deshalb, weil es schnell vorbei geht, vor allem aber, weil die Musik nie langweilig wird.
Schließlich tritt noch ein Männer-Sextett auf. Damit ist das Klangspektrum vollständig. Beschreiben läßt sich die Musik, die aufgeführt wird, nicht so einfach, jedenfalls fehlen dem Autor die rechten Worte, was das nun eigentlich ist. Am ehesten ist es noch mit dem vergleichbar, was bis vor kurzem auf WDR 5 nachts nach 0 Uhr lief ("Radio Multikulti") oder was der Deutschlandfunk nach 1 Uhr nachts gelegentlich bringt. Es ist Musik, wie man sie normaler Weise so nicht hört: manchmal jazzig, manchmal Folk, manchmal orchestral, dann wieder atonal bis free; manchmal hochkonzentrierte Sieben/achtel gegen 13/16tel-Rhythmen (oder so ähnlich), dann wieder schlichtes Grooven und Baden im eigenen Sound, dann fast klassischer Silcher-Männerchor-Satz und mitten im Stück ein Schluss, der an die Versuche, den Sinfoniesatz endlich zu Ende zu bringen, in Beethovens Sinfonien erinnert: der Dirigent ( Kristjan Järvi) dreht sich um, verbeugt sich, tritt ab und grinst, das Publikum klatscht frenetisch, und mittenrein trommelt der Schlagzeuger einen neuen fetzigen Rhythmus, in den die beiden Orchester/Bands begeistert einfallen. Der versehenliche Schluss-Beifall wandelt sich in rhythmisches Klatschen, dass aber bald an den komplexen Rhythmen scheitert. Einfach spannende Musik.
Der Autor hatte nach einem anstrengenden Chor-Probenwochenende die Befürchtung, in dem (erwarteten moderne Musik-)Konzert ziemlich bald einzuschlafen. Statt dessen hört er wie gebannt zu und als er zum ersten Mal auf die Uhr sieht, sind 90 Minuten wie im Flug vergangen, ohne dass man gemerkt hätte, dass das Konzert schon so lange dauert. Besser kann Musik eigentlich nicht unterhalten.
Amazon ordnet Goran Bregovic bei "Pop-Musik" ein. Viel falscher könnten sie damit nicht liegen.
Varzil sieht es anders: wenn das Pop-Musik ist, dann ist Pop-Musik einfach toll ...
So auch letzten Freitag: Um 13:08 Uhr trudelt eine E-Mail ein, dass man Konzertkarten für Sonntag Abend gewinnen könne, wenn man bis um 15 Uhr sich mit der richtigen Antwort auf eine Frage zum Konzert per E-Mail meldet. Die positive Antwort trudelt zwei Stunden später ein. So erhebt sich die Frage, auf was man sich da eigentlich eingelassen hat.
Denn nicht immer sind die Konzertankündigungen selbsterklärend, so auch diesmal:
"...Kult-Filmkomponist Goran Bregovic steht für aufregende Balkanklänge und Kristjan Järvi – junger Stardirigent mit einer ordentlichen Prise Rock’n’Roll-Ausstrahlung – für packende musikalische Klarheit jenseits aller Genregrenzen. ...Goran ... wer?
(Quelle: Newsletter der Kölner Philharmonie vom 20.4.2007)
"Kult-"Filmkomponist? Welcher Kult huldigt denn Goran Bregovic?
Und wenn man nach Goran Bregovic sucht, stößt man auch auf folgenden Satz:
"...Wer also das Neue scheut und stattdessen ein Greatest Hits-Konzert mit ‚Kalasnikov’, ‚Mesecina’ oder ‚Ederlezi’ erwartet, möge doch bitte der Veranstaltung »fernbleiben«, so ist auf seiner Homepage zu lesen, die auf die aktuelle Europatournee hinweist, .....
(Quelle: Tom Fuchs online bei Kölner Philharmonie)
"...Wer das Neue scheut, möge der Veranstaltung fernbleiben ..." klingt nicht so richtig einladend. Zumal wenn man weiß, dass die Kölner Triennale ein Schwerpunktthema "Luciano Berio" ist.
Also gewappnet darauf, dass einem da Musik eines manischen Neutöners um die Ohren gepfeffert wird, macht man sich auf den Weg.
Schon das Konzertpublikum allerdings unterscheidet sich von dem "üblichen" Publikum eines Konzerts für moderne E-Musik: man sieht keine schwarzgekleideten, rauchenden klapperdürren Hochintellektuellen, hört auch kein sinnentleertes "Aber Adorno schreibt doch ...", hört dafür relativ viel Balkan-Sprachen und sieht statt "graue Wolke" eine Menge Besucher aus der Altersklasse 20 - 50.
Und dann tritt zunächst das "Absolute Ensemble" unter Kristjan Järvi (Bild rechts bei www.tonkuenstler.at) auf und beginnt mit einem fetzigen, durch ein j
Wenig später taucht aus einem der Zuschauereingänge die "Wedding and Funeral Band" auf mit zwei bulgarischen Sängerinnen und grooven mit heftigem Brass-Sound mit. Goran Bregovic (im weißen Anzug und mit E-Gitarre wie auf dem Bild links bei www.daltrocanto.altervista.org) begrüßt das Publikum in nuscheligem "broken english".
Und es geht los mit Balkan-Rhythmen, Brass-Sound, Bulgaren-Quäke-Gesang und alles passt; auch als die fünf Streicher des Absolute Ensemble sich der Tonsprache von Luciano Berio bemächtigen, geht das, unter anderem auch deshalb, weil es schnell vorbei geht, vor allem aber, weil die Musik nie langweilig wird.
Schließlich tritt noch ein Männer-Sextett auf. Damit ist das Klangspektrum vollständig. Beschreiben läßt sich die Musik, die aufgeführt wird, nicht so einfach, jedenfalls fehlen dem Autor die rechten Worte, was das nun eigentlich ist. Am ehesten ist es noch mit dem vergleichbar, was bis vor kurzem auf WDR 5 nachts nach 0 Uhr lief ("Radio Multikulti") oder was der Deutschlandfunk nach 1 Uhr nachts gelegentlich bringt. Es ist Musik, wie man sie normaler Weise so nicht hört: manchmal jazzig, manchmal Folk, manchmal orchestral, dann wieder atonal bis free; manchmal hochkonzentrierte Sieben/achtel gegen 13/16tel-Rhythmen (oder so ähnlich), dann wieder schlichtes Grooven und Baden im eigenen Sound, dann fast klassischer Silcher-Männerchor-Satz und mitten im Stück ein Schluss, der an die Versuche, den Sinfoniesatz endlich zu Ende zu bringen, in Beethovens Sinfonien erinnert: der Dirigent ( Kristjan Järvi) dreht sich um, verbeugt sich, tritt ab und grinst, das Publikum klatscht frenetisch, und mittenrein trommelt der Schlagzeuger einen neuen fetzigen Rhythmus, in den die beiden Orchester/Bands begeistert einfallen. Der versehenliche Schluss-Beifall wandelt sich in rhythmisches Klatschen, dass aber bald an den komplexen Rhythmen scheitert. Einfach spannende Musik.
Der Autor hatte nach einem anstrengenden Chor-Probenwochenende die Befürchtung, in dem (erwarteten moderne Musik-)Konzert ziemlich bald einzuschlafen. Statt dessen hört er wie gebannt zu und als er zum ersten Mal auf die Uhr sieht, sind 90 Minuten wie im Flug vergangen, ohne dass man gemerkt hätte, dass das Konzert schon so lange dauert. Besser kann Musik eigentlich nicht unterhalten.
Amazon ordnet Goran Bregovic bei "Pop-Musik" ein. Viel falscher könnten sie damit nicht liegen.
Varzil sieht es anders: wenn das Pop-Musik ist, dann ist Pop-Musik einfach toll ...
... comment ...bereits 975 x gelesen
derkonrad,
Montag, 23. April 2007, 21:18
Hallo Varzil,
hast mich neugierig gemacht, Musik ist ja wie guter Wein, und edle Tropfen sind wahrhaftiger Genuss !
Um Musikstuecke zu finden, habe ich befolgt, was Attu empfiehlt und "Bregovic" eingetragen und tatsaechlich, was meine Ohren zu hoeren bekamen aus der (port.) bateria laesst mich Abhotten wollen....Klasse !
Vide:
http://www.attuworld.com/music/google_working_like_napster
Gruesse
Ich lass jetzt wieder trommelen...
hast mich neugierig gemacht, Musik ist ja wie guter Wein, und edle Tropfen sind wahrhaftiger Genuss !
Um Musikstuecke zu finden, habe ich befolgt, was Attu empfiehlt und "Bregovic" eingetragen und tatsaechlich, was meine Ohren zu hoeren bekamen aus der (port.) bateria laesst mich Abhotten wollen....Klasse !
Vide:
http://www.attuworld.com/music/google_working_like_napster
Gruesse
Ich lass jetzt wieder trommelen...
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varzil,
Dienstag, 24. April 2007, 13:17
"... neugierig machen":
Danke, damit ist der Zweck des Textes erreicht.
Und attuworld kannte ich noch nicht.
Danke, damit ist der Zweck des Textes erreicht.
Und attuworld kannte ich noch nicht.
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gika,
Mittwoch, 23. Mai 2007, 16:35
"Goran... wer?" Wenn man Musik vom Balkan hört, dann kennt man den einfach, insofern ist das "Kult" da gar nicht so falsch. Wenn Du solche Musik gerne magst, könnte Dir das hier auch gefallen: Warsaw Village Band, Dikanda, Lubo Alexandrov, Taraf de Haidouks, Muzsikas, Trillke Trio, 17 Hippies, Bratsch, und die CD von Nigel Kennedy zusammen mit Kroke. Mit fetten Beats: Balkan Beat Box, DJ Shantel (Bucovina Club), Amsterdam Klezmer Band remixed..... usw...
Viel Spaß!
Geigengika
www.yonder.blogger.de
www.myspace.com/yonderonline
www.yonder-online.de
Viel Spaß!
Geigengika
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varzil,
Freitag, 25. Mai 2007, 02:45
Danke für die Hinweise: die Musik-Art war mir bislang sehr fremd; schön, dass es da noch mehr von gibt.
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