Donnerstag, 26. April 2007
Schäuble und Schily: Danaer, keine Trojaner
Da programmieren Nachrichtendienste Ausspäh-Programme, um gezielt auf verächtige Computer zugreifen zu können.
"Bundestrojaner wird ein Computervirus genannt, mit dem Sicherheitsbehörden Computer verdächtiger Personen ausspähen. Der Trojaner versteckt sich auf dem Rechner, umgeht dort die Sicherheitsvorkehrungen und spioniert die Daten aus. Auf den Rechner könnte das Virus durch eine Mail, aber auch durch manipulierte Server oder Downloads gelangen. Da der Trojaner gezielt auf einen Rechner hin programmiert werden könnte, sehen Experten des Chaos Computer Clubs wenig Chancen, dass Virenscanner und Firewalls diesen abfangen könne...

...Deutsche Nachrichtendienste praktizieren bereits seit zwei Jahren geheime Online-Durchsuchungen.....
Sie stützen sich dabei auf eine Dienstvorschrift des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily. Auch das dem Innenministerium unterstellte Bundeskriminalamt (BKA) hatte Online-Durchsuchungen mehrfach bei Ermittlungen eingesetzt. Doch im November vergangenen Jahres weigerte sich ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, einen BKA-Antrag auf Online-Durchsuchungen zu genehmigen. Die Bundesanwaltschaft legte daraufhin Beschwerde bei den Karlsruher Richtern ein, die der Polizei im Februar das heimliche Ausspähen von Computerfestplatten untersagten...."
(Quelle: tagesschau.de)
Nun mag man darüber streiten, ob Gigi Deppe (welch ein Name) Recht hat mit seiner Ansicht:
""Wenn der BGH sagt, dass für solche Eingriffe des Staates die gesetzliche Grundlage fehlt, dann liegt nahe, dass sie auch für die Geheimdienste fehlt."
(Quelle: wie oben tagesschau.de)
Der Rechtsexperte der ARD übersieht bei dieser schlanken Analogie, dass es für Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz eigene Gesetze gibt, das Bundesnachrichtendienst-Gesetz (BND) und das Bundesverfassungschutzgesetz (BVerfSchG):

Lesen wir doch zuerst das Bundesnachrichtenschutzgesetz:
"§ 3 Besondere Formen der Datenerhebung

Der Bundesnachrichtendienst darf zur heimlichen Beschaffung von Informationen einschließlich personenbezogener Daten die Mittel gemäß § 8 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes anwenden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. § 9 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ist entsprechend anzuwenden.

(Quelle: § 3 BNDG)
Kurz gefasst darf der BND also das, was der Bundesverfassungsschutz darf. Und der darf zum Beispiel dieses:
"§ 8 Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz

(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht....

(2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. Diese sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, ....

(Quelle: § 8 BVerfSchG)
"... in einer Dienstvorschrift ... benennen...": genau das hat Schily gemacht, Herr Deppe!

Die Materie ist allerdings auch etwas unübersichtlich. Wenn man sich beispielsweise die Regelung zum Lauschangriff in § 9 BVerfSchG ansieht, dann ist der Paragraph so lang, dass man beim Lesen schon die Lust verliert, zu verstehen, was gemeint ist.

Im Ergebnis allerdings liegt die Vermutung nahe, dass Gidi Deppe mit seiner Analogie "Polizeirecht ~ Nachrichtendienst-Recht" auf dem Holzweg ist. Die jeweiligen Polizei-Gesetze (z.B. §§ 17,18 PolG NRW) regeln diese Fragen der heimlichen Datenerhebung nämlich erheblich strenger.
"Die Polizei kann personenbezogene Daten erheben durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Worte

1. über die in den §§ 4 und 5 genannten und unter den Voraussetzungen des § 6 über die dort genannten Personen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist,

2. über Personen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wollen, sowie über deren Kontakt- oder Begleitpersonen, wenn die Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich ist.

(Quelle: § 18 PolG NRW)
Anders als bei den Nachrichtendiensten dürfen Polizisten also nur bei Leib- und Lebensgefahr oder bei dem Verdacht, dass Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden, abhören. Nach dem Bundesverfassungschutzgesetz kann man abhören,
"wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß
1.
auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder
2.
dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist.
(Quelle: § 9 BVerfSchG)
Richtig übersichtlich ist das nicht; mit "Leib- und Lebensgefahr" (wie im Polizeirecht) hat das aber auch nichts zu tun.

Mögen die Gerichte da für Klarheit sorgen. Und die Journalisten? Die verwenden gedankenlos den Begriff "Trojaner" für etwas, dass eigentlich "Danaer" heißen müsste. Schließlich waren es die Griechen, die eine Pferdestatue benutzten, um heimlich nach Troja hineinzukommen, um dann die Trojaner niederzumetzeln.

Einschub:
O.k., es sind nicht "die Journalisten", die den Begriff "Trojaner" für eine Spezies der Computer-Viren eingeführt haben. Sie haben ihn nur gedankenlos (?) übernommen.

Allerdings muss man den Journalisten eigentlich dankbar sein, dass sie auf die in der Tat haarsträubenden Praktiken der Nachrichtendienste aufmerksam machen. Denn auch wenn der gesetzliche Rahmen das Vorgehen der Bundesbehörden legitimiert:

Die eigentlichen Nachfahren von Agamemnon und Odysseus sitzen offenbar im Bundesinnenministerium. Ob Herr Schäuble (in der Tradition von Herrn Schily) tatsächlich die Bekämpfung von Terroristen für wichtiger hält als das Bewahren von Bürgerrechten wie die Unverletzlichkeit der Wohnung, der Privatsphäre etc., von der Vorratsdatenspeicherung einmal ganz abgesehen?

"Bundes-Danaer" wäre im Übrigen wohl die richtigere Bezeichnung. Oder um es mit Vergil zu sagen:
"Timeo Danaos et dona ferentes!"
[Ich fürchte die Danaer (Griechen), selbst wenn sie Geschenke mitbringen!]
(Quelle: Laokoon, in der Aenaeis von Vergil; Buch II, Vers 49)
Da sind wir alle Trojaner!

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