Antworten auf Regensburg
Die "Regensburger Vorlesung" von Benedikt XVI. hat Furore gemacht udn auch hier am
15.9.2006 und am
21.9.2006 jeweils einen Eintrag verursacht.
Heute nun schreibt in der Lieblingsfrühstückslektüre Kurt Flasch, emeritierter Professor für Philosophie der Universität Bochum, zum Thema
"Von Kirchenvätern und anderen Fundamentalisten"
Wie tolerant war das Christentum, wie dialogbereit ist der Papst? Der Schlüssel liegt in der Regensburger Vorlesung.
...
Da war zuerst das Zitat des griechischen Kaisers über Mohammed. Irgendjemand hat es interessant gefunden, da habe doch der von Türkenheeren rings umlagerte Kaiser entdeckt, dass Religion nicht mit Gewalt ausgebreitet werden sollte, und er habe dies mit der Behauptung verbunden, Mohammed habe nichts Neues gebracht. Und der Papst hat dieses Zitat übernommen. Wissenschaftlich und islamfreundlich wäre es gewesen, diese Behauptung nicht nur kommentarlos zu wiederholen, sondern sie entweder wegzulassen oder zu überprüfen. Trifft sie zu, ja oder nein? Das war zu entscheiden im Blick auf die Verhältnisse der arabischen Halbinsel im siebten Jahrhundert. Diese Sorgfalt hat der Papst nicht angewendet. ...
(Quelle: Süddeutsche, Feuilleton vom 17.10.2006, S. 11, online nur im Bezahlkontent )
Diese nicht ganz unberechtigte Frage lässt sich aus dem Kontext der Vorlesung heraus nicht genau beantworten. Die Vorlesung wirkt sorgfältig recherchiert, vielleicht hat der Papst aber, wie alte Männer das gelegentlich mal tun, einfach auch nur in der Erinnerung gekramt (welch eine eindrucksvolle Erinnerungen mögen da noch in den grauen Zellen schlummern?). Das Folgende lässt jedenfalls vermuten, dass die wissenschaftliche Fundierung der Vorlesung etwas arg knapp geraten ist:
...Diese unhistorische Schwarz-Weiß-Malerei entspricht nicht der tatsächlichen westlichen Denkentwicklung und muss bei Muslimen, zusammen mit der mangelnden Umsicht beim Kaiserzitat, den Dialog blockieren. Der Papst hat die Situation noch zusätzlich verschärft: Er unterschied im Koran - in der Manier der von ihm verworfenen liberalen Theologie - zwei divergierende Aussageschichten. Diejenigen Suren des Koran, die Gewaltanwendung in Religionssachen verwerfen, sagte der Papst, stammten aus der frühen Zeit, als Mohammed noch keine Macht hatte. Als Mohammed später Macht besaß, rechtfertigte er die Gewalt.
Orientalisten haben, vermutlich zurecht, eingewendet, diese zeitliche Differenzierung sei philologisch nicht begründet. Nicht-Fachleute wie Professor Ratzinger sollten sich bei solchen Feinheiten zurückhalten. Aber er hat nun einmal so argumentiert, daher könnte ihm ein gebildeter Muslim antworten: Die frühesten Schichten des Neuen Testaments enthalten Eure Trinitätslehre nicht. Und außerdem verhielt die Kirche sich genau so, wie der Papst es Mohammed zuschreibt: Sie hat die Toleranz erst entdeckt, als ihr Militär und Polizei nicht mehr zur Verfügung standen. Als sie schwach war, sprach sie sanft, wie nach Meinung des Papstes der machtlose Mohammed. Wüsste es der Papst zu schätzen, wenn ein Muslim in seinen Glaubensurkunden ähnlich relativierende Schnitte vornähme?
(Quelle: Süddeutsche, Feuilleton vom 17.10.2006, S. 11, online nur im Bezahlkontent )
Eine wunderschöne Parallele und man würde als Nicht-Theologe vermuten, dass ein so argumentierender Muslim schwer zu widerlegen sei. Denn:
Wikipedia:
Die bei der Definition der Dreieinigkeit Gottes verwendeten Begriffe kommen in der Bibel nicht vor: ...
Das griechische Wort trias für Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist wird erstmals erwähnt in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts bei dem Apologeten Athenagoras: „sie [die Christen] kennen Gott und seinen Logos, wissen, was die Einheit des Sohns mit dem Vater ist, was die Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater ist, was der Geist ist, was die Einheit dieser Trias, der Geist, der Sohn, und der Vater, ist, und was ihre Unterscheidung in der Einheit ist.“
(Quelle: Wikipedia zur Dreifaltigkeitslehre)
Aber weiter mit Flasch zur These eines toleranten christlichen Gottes:
"...Als das Christentum nach 313 an die Macht kam, eignete es sich "in kurzer Zeit jene Zwangsmaßnahmen an, unter denen es bis dahin selbst gelitten hatte". Als es machtlos war, plädierte es für Glaubensfreiheit. Wo es Staatsreligion war, reagierte es fundamentalistisch roh gegen Häretikergruppen. Noch wo es im 19. Jahrhundert die Mehrheit stellte, polemisierte es gegen die Idee der Toleranz. So steht es historisch korrekt im neuesten "Lexikon für Theologie" (2001).
(Quelle: Süddeutsche, Feuilleton vom 17.10.2006, S. 11, online nur im Bezahlkontent )
Mit wenigen Worten zerfällt ein schönes Gebäude, dass der Papst da errichtet hatte.
Allerdings hatte Benedikt XVI. wohlweislich nicht auf die kirchliche Praxis, sondern auf das (theoretische) christliche Gottesbild abgestellt - damit aber so nebenbei etliche Jahrhunderte mit Kreuzzügen und Inquisition in die unchristliche Ecke verbannt.
Varzil weist darauf hin, dass bei allen Mängeln der Vorlesung der Dialog zwischen Christentum und Islam aufgrund der Rede endlich auch wieder inhaltlich geführt wird. Und das ist ganz sicher ein Verdienst der Vorlesung.
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Reinhard Goebel und MAK
Andere (
Sopran) hatten es schon früher mitgekriegt.
Den Autor lässt erst eine Meldung im Klassikforum am letzten Samstag in WDR 3 hochschrecken.
Nachgegoogelt liest man auf der Seite von
musica antiqua Köln" eine Meldung vom 2. Mai 2006:
"02.05.2006: Musica Antiqua Köln wird aufgelöst
Nach jahrzehntelanger Erfolgsgeschichte zieht sich Reinhard Goebel (54) aus gesundheitlichen Gründen von seiner Tätigkeit als Violinist zurück.
Die Erkrankung der linken Hand, die bereits 1991 seine Karriere als Konzertmeister von Musica Antiqua Köln vorübergehend unterbrochen hatte, zwingt ihn jetzt zur gänzlichen Aufgabe seiner Spieltätigkeit. Somit wird auch das von Reinhard Goebel 1973 gegründete und geleitete Ensemble Musica Antiqua Köln in seiner jetzigen Form zum Ende des Jahres 2006 aufgelöst.
...
Reinhard Goebel wird sich in Zukunft gänzlich seiner Dirigiertätigkeit vor allem ‚moderner’ Orchester widmen, die er ja bereits in den letzten Jahren immer mehr ausgebaut hat.
(Quelle: musica antiqua köln)
Aufschlussreich: Neben den allgemein zitierten gesundheitlichen Gründen berichtet das Kirsten Lindenau im
Klassikforum auch über die Unzufriedenheit Goebels mit der Entwicklung der Alten Musikszene und über Ärger mit der Plattenfirma "Deutsche Grammophon". Alles gute Gründe aufzuhören.
Über den Umgang des Ausnahmegeigers mit seinem Ensemble (nach etlichen Stunden mühsamer und harter, nicht immer nur harmonischer Probe hört sich das ständige Mantra "hoch die Tassen" - gemeint sind die Geigen - an wie ein Tritt in den Hintern) und mit seiner Umwelt mag man streiten. Nur selten ließ er einen im Unklaren über das, was er von der Musik, seinen Mitmusikern oder auch den Chormitgliedern hielt.
Exkurs in die goldenen 80er Jahre:
Unauslöschlich in der Erinnerung des Autors ist eine denkwürdige Situation auf der Rückfahrt von einem Konzert in Lübeck, nachts gegen 1 Uhr im Bus: Eine junge, hübsche Sopranistin und angehende Abiturientin lässt die schon seit längerem angeregte Unterhaltung plötzlich laut werden. Reinhard Goebel verlässt seinen Platz, geht nach vorne mit der empörten Bemerkung "Die ist ja pubertär". Ganz rekonstruieren ließ sich der Hergang später nie. Die Abiturienten versuchte noch wenigstens fünf Minuten lang, den abgerisssenen Diskussionsfaden quasi mit Gewalt wieder aufzunehmen. Vergeblich. Die Wut, die in der konzentrierten Debattierlust der Abiturientin steckte, gab Anlass zu vermuten, dass da im Untergrund der Auseinandersetzung unvereinbare sexuelle Orientierungen aufeinander geprallt waren...
Zurück zur Gegenwart: Auch wenn man gut verstehen kann, dass er aufhört, ist es einfach schade. Denn die Musica Antiqua Köln (MAK) hat unvergessliche Musik gemacht. Nur einige Beispiele:
- Das 3. Brandenburgische Konzert, in Rekordgeschwindigkeit eingespielt, sorgte für völlig neue Bacherfahrungen
- Telemannschen Tafelmusiken wandelten sich von einer Gebrauchs- und Hintergrundmusik zu hoch spannender Musik, die einen die Lektüre weglegen lässt.
- Unbekannte Musik von unbekannten Komponisten der Barockzeit (wer wusste früher schon was von Heinrich Ignaz Franz Biber) wurde zu einer interessanten (angenehmen!) Hörerfahrung
Zum Abschied, bevor die Trauer überhand nimmt, erinnert Varzil daran, dass es CDs gibt.
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