Freitag, 18. November 2016
Warnung vor dem Wolf
Schon Monate vor der Wahl machten die Meinungsseiten der New York Times auf ein Phänomen aufmerksam:
... Noah Rothman has repeatedly examined this subject. He wrote back in March that
when “honorable and decent men” like McCain and Romney “are reflexively dubbed racists simply for opposing Democratic policies, the result is a G.O.P. electorate that doesn’t listen to admonitions when the genuine article is in their midst.”
...
(Quelle: Frank Burni in New York Times)
Auf deutsche Verhältnisse übertragen: wenn jahrzehntelang konservatives Gedankengut mit der "Nazikeule" bekämpft wird, ist die Warnung vor Nazi-Gedankengut verschlissen, wenn dann tatsächlich nationalistische Gedanken geäußert werden.

Beispiel Björn Höcke:
... "Der Front National setzt sich wie die AfD gegen eine weitere Überfremdung ein und für den Erhalt der Identität der europäischen Völker", sagte der AfD-Politiker, der zum rechtsnationalen Flügel der AfD gehört. ...
(Quelle: Spiegel online)
Zu Björn Höcke ist eigentlich alles gesagt, was man dazu sagen sollte. Und dennoch steht die AfD bei der Sonntagsfrage aktuell bei 14,5 %. Jeder kann eigentlich wissen, dass in Teilen der AfD Nazi-Gedankengut fröhliche Urstände feiert. Nur wirkt das Wissen nicht mehr - schließlich wurden auch Ministerpräsidenten wie Franz Josef Strauß und Hans Filbinger oder der CDU/CSU-Franktionsvorsitzende Alfred Dregger schon als Nazis bezeichnet, und die haben sich doch bei allen (berechtigten) Vorbehalten an die "freiheitlich demokratischen Grundordnung" gehalten.

Wie schon in der Fabel des Äsop "Der Hirtenjunge und der Wolf":
Die Hauptperson der Fabel ist ein Hirtenjunge, der aus Langeweile laut „Wolf!“ brüllt. Als ihm daraufhin Dorfbewohner aus der Nähe zu Hilfe eilen, finden sie heraus, dass falscher Alarm gegeben wurde und sie ihre Zeit verschwendet haben. Als der Junge kurz darauf wirklich dem Wolf begegnet, nehmen die Dorfbewohner die Hilferufe nicht mehr ernst und der Wolf frisst die ganze Herde (und in manchen Versionen auch den Jungen).
(Quelle: Wikipedia)

... link (2 Kommentare)   ... comment ...bereits 1139 x gelesen


Donnerstag, 17. November 2016
Kindheitserinnerungen die zweite: Pumuckl != Fizzibitz
Vor vielen Jahren und Tagen wurde anlässlich des Todes von Hans Clarin hier nahegelegt, dass der Kobold Pumuckl und der Kobold "Fizzibitz" identisch seien.

Sind sie nicht:
..Für diejenigen, die nicht wissen, wer Fizzibitz ist: Der Bayerische Rundfunk produzierte ab 1962 die erfolgreiche Serie "Meister Eder und sein Pumuckl". In der Kinderredaktion des Westdeutschen Rundfunks wußten die Geschichten auch sehr zu gefallen, allerdings empfand man die Hörspiele als "zu bayerisch" um sie auch im WDR zu senden. Deshalb adaptierten die Redakteurinnen Els Vordemberge und Ingeborg Oehme-Tröndle sowie Regisseur Fritz Peter Vary die Geschichten von Ellis Kaut und kreierten daraus 1963 den rheinischen Fizzibitz. Nachdem der Pumuckl aber Ende der 70er Jahre auf LP seinen Siegeszug auch außerhalb Bayerns begann, geriet Fizzibitz schnell in Vergessenheit.

(Quelle: Florian Mattes)
Sprecher des Fizzibitz war laut www.pumucklhomepage.de auch nicht Hans Clarin, sondern "Hans Georg Gregor" - offenbar deutlich weniger spektakulär. Kindheitserinnerungen vergolden offenbar die Vergangenheit.

... link (0 Kommentare)   ... comment ...bereits 566 x gelesen


Donnerstag, 10. November 2016
das zusammengebastelte Wahlsystem:
Nun hat Donald Trump die Wahl zum 45. Präsidenten der USA gewonnen. Das mag man mögen oder auch nicht. Trump hat lange Zeit behauptet, dass das amerikanische (Wahl-)system "rigged" sei. Leo.org übersetzt das mit "aufgetakelt", "zurechtgebastelt".

Nach meinem Eindruck war in den deutschen Medien der Eindruck vorherrschend, dass Trump die Wahl für verfälscht halte. "Rigged" scheint hingegen etwas anderes anzudeuten. Das wird deutlich, wenn beispielsweise Wyoming mit knapp 600.000 Einwohnern drei Wahlmänner, also pro 200.000 Einwohner einen Wahlmann, zur Präsidentenwahl bestimmt, Kalifornien hingen mit 37 Millionen nur 55 Wahlmänner, also 670.000 Einwohner pro Wahlmann. Geht es nach "one man, one vote", hat man da sich tatsächlich etwas zusammengebastelt. Denn ein Wähler in Wyoming hat den dreifachen Einfluss auf den Wahlausgang im Vergleich zu einem kalifornischen Wähler.
Da jeder Bundesstaat genau zwei Vertreter im Senat und mindestens einen Vertreter im Repräsentantenhaus hat, stellen die bevölkerungsärmsten Staaten trotzdem drei Wahlmänner.

Auch ein Kandidat, dem es gelänge, nur die Wahlmännerstimmen der elf bevölkerungsreichsten Bundesstaaten auf sich zu vereinen, würde so Präsident. Zwar haben diese Staaten zusammen mehr als 56 % der Wahlberechtigten der USA, da aber in jedem dieser Staaten etwas mehr als die Hälfte der Wählerstimmen ausreicht, um alle Wahlmännerstimmen zu erhalten, genügen schon weniger als 29 % der Wählerstimmen, um den Präsidenten zu wählen. Erhält ein Kandidat von den 40 Staaten mit dem größten Stimmengewicht jeweils mehr als die Hälfte der Wählerstimmen (zur Vereinfachung 100 % in Maine und Nebraska), genügen auch weniger als 23 % der Wählerstimmen.
(Quelle: Wikipedia)
Ähnlich wie im Bundesrat (Bremen, Hamburg, Saarland) haben offenbar in den USA die "kleinen" Staaten ein vergleichsweise stärkeres Gewicht, so eine Art "Minderheitenschutz".
Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament (Europawahl) ist der Grundsatz der Wahlgleichheit nicht gewahrt, da den einzelnen Länder (unabhängig von der Wahlbeteiligung) eine feste Zahl an Sitzen zugeordnet ist, die kleine Länder stark überrepräsentiert (z.B. pro Abgeordneter in Deutschland 800.000 Bürger, in Malta 70.000 Bürger)
(Quelle: Wikipedia: Wahlgleichheit)
Und noch ein weiterer Systemfehler bestätigt die Feststellung, dass (nicht nur) das amerikanische Wahlsystem zurechtgebastelte Komponenten hat: Man schneidet die Wahlkreise so zu, dass ein politisch erwünschtes Ergebnis bei der Wahl wahrscheinlich wird. Das Englische hat dafür sogar einen eigenen Begriff des "Gerrymandering" geschaffen, benannt nach einem amerikanischen Vizepräsidenten Gerry im 19. Jahrhundert, dessen Wahlkreis in Massachusetts nach einer Neuordnung die Form eines Salamanders hatte.

Das "Zurechtbasteln" am Wahlsystem hat also Methode und eine gewisse Tradition, und die Behauptung von Donald Trump, die Wahl sei "rigged", stimmt, wenn auch vermutlich nicht in dem Sinn, wie die Trump-Unterstützer das meinen ("Wahlbetrug").

... link (3 Kommentare)   ... comment ...bereits 605 x gelesen