Dienstag, 17. Oktober 2006
Antworten auf Regensburg
Die "Regensburger Vorlesung" von Benedikt XVI. hat Furore gemacht udn auch hier am 15.9.2006 und am 21.9.2006 jeweils einen Eintrag verursacht.

Heute nun schreibt in der Lieblingsfrühstückslektüre Kurt Flasch, emeritierter Professor für Philosophie der Universität Bochum, zum Thema
    "Von Kirchenvätern und anderen Fundamentalisten"

    Wie tolerant war das Christentum, wie dialogbereit ist der Papst? Der Schlüssel liegt in der Regensburger Vorlesung.
    ...
    Da war zuerst das Zitat des griechischen Kaisers über Mohammed. Irgendjemand hat es interessant gefunden, da habe doch der von Türkenheeren rings umlagerte Kaiser entdeckt, dass Religion nicht mit Gewalt ausgebreitet werden sollte, und er habe dies mit der Behauptung verbunden, Mohammed habe nichts Neues gebracht. Und der Papst hat dieses Zitat übernommen. Wissenschaftlich und islamfreundlich wäre es gewesen, diese Behauptung nicht nur kommentarlos zu wiederholen, sondern sie entweder wegzulassen oder zu überprüfen. Trifft sie zu, ja oder nein? Das war zu entscheiden im Blick auf die Verhältnisse der arabischen Halbinsel im siebten Jahrhundert. Diese Sorgfalt hat der Papst nicht angewendet. ...
    (Quelle: Süddeutsche, Feuilleton vom 17.10.2006, S. 11, online nur im Bezahlkontent )
Diese nicht ganz unberechtigte Frage lässt sich aus dem Kontext der Vorlesung heraus nicht genau beantworten. Die Vorlesung wirkt sorgfältig recherchiert, vielleicht hat der Papst aber, wie alte Männer das gelegentlich mal tun, einfach auch nur in der Erinnerung gekramt (welch eine eindrucksvolle Erinnerungen mögen da noch in den grauen Zellen schlummern?). Das Folgende lässt jedenfalls vermuten, dass die wissenschaftliche Fundierung der Vorlesung etwas arg knapp geraten ist:
    ...Diese unhistorische Schwarz-Weiß-Malerei entspricht nicht der tatsächlichen westlichen Denkentwicklung und muss bei Muslimen, zusammen mit der mangelnden Umsicht beim Kaiserzitat, den Dialog blockieren. Der Papst hat die Situation noch zusätzlich verschärft: Er unterschied im Koran - in der Manier der von ihm verworfenen liberalen Theologie - zwei divergierende Aussageschichten. Diejenigen Suren des Koran, die Gewaltanwendung in Religionssachen verwerfen, sagte der Papst, stammten aus der frühen Zeit, als Mohammed noch keine Macht hatte. Als Mohammed später Macht besaß, rechtfertigte er die Gewalt.

    Orientalisten haben, vermutlich zurecht, eingewendet, diese zeitliche Differenzierung sei philologisch nicht begründet. Nicht-Fachleute wie Professor Ratzinger sollten sich bei solchen Feinheiten zurückhalten. Aber er hat nun einmal so argumentiert, daher könnte ihm ein gebildeter Muslim antworten: Die frühesten Schichten des Neuen Testaments enthalten Eure Trinitätslehre nicht. Und außerdem verhielt die Kirche sich genau so, wie der Papst es Mohammed zuschreibt: Sie hat die Toleranz erst entdeckt, als ihr Militär und Polizei nicht mehr zur Verfügung standen. Als sie schwach war, sprach sie sanft, wie nach Meinung des Papstes der machtlose Mohammed. Wüsste es der Papst zu schätzen, wenn ein Muslim in seinen Glaubensurkunden ähnlich relativierende Schnitte vornähme?
    (Quelle: Süddeutsche, Feuilleton vom 17.10.2006, S. 11, online nur im Bezahlkontent )
Eine wunderschöne Parallele und man würde als Nicht-Theologe vermuten, dass ein so argumentierender Muslim schwer zu widerlegen sei. Denn:
    Wikipedia:
    Die bei der Definition der Dreieinigkeit Gottes verwendeten Begriffe kommen in der Bibel nicht vor: ...
    Das griechische Wort trias für Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist wird erstmals erwähnt in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts bei dem Apologeten Athenagoras: „sie [die Christen] kennen Gott und seinen Logos, wissen, was die Einheit des Sohns mit dem Vater ist, was die Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater ist, was der Geist ist, was die Einheit dieser Trias, der Geist, der Sohn, und der Vater, ist, und was ihre Unterscheidung in der Einheit ist.“
    (Quelle: Wikipedia zur Dreifaltigkeitslehre)

Aber weiter mit Flasch zur These eines toleranten christlichen Gottes:
    "...Als das Christentum nach 313 an die Macht kam, eignete es sich "in kurzer Zeit jene Zwangsmaßnahmen an, unter denen es bis dahin selbst gelitten hatte". Als es machtlos war, plädierte es für Glaubensfreiheit. Wo es Staatsreligion war, reagierte es fundamentalistisch roh gegen Häretikergruppen. Noch wo es im 19. Jahrhundert die Mehrheit stellte, polemisierte es gegen die Idee der Toleranz. So steht es historisch korrekt im neuesten "Lexikon für Theologie" (2001).

    (Quelle: Süddeutsche, Feuilleton vom 17.10.2006, S. 11, online nur im Bezahlkontent )

Mit wenigen Worten zerfällt ein schönes Gebäude, dass der Papst da errichtet hatte.

Allerdings hatte Benedikt XVI. wohlweislich nicht auf die kirchliche Praxis, sondern auf das (theoretische) christliche Gottesbild abgestellt - damit aber so nebenbei etliche Jahrhunderte mit Kreuzzügen und Inquisition in die unchristliche Ecke verbannt.

Varzil weist darauf hin, dass bei allen Mängeln der Vorlesung der Dialog zwischen Christentum und Islam aufgrund der Rede endlich auch wieder inhaltlich geführt wird. Und das ist ganz sicher ein Verdienst der Vorlesung.

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