Dienstag, 27. Februar 2007
Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen
Schon weit vor dem Urteil von heute hatte man ein mulmiges Gefühl, wenn man über die Geschehnisse um die Durchsuchung der CICERO-Redaktion nachdachte (Koriander vom 13.10.2005).

Eine Zeitschrift hatte BKA-Material verwendet, um über den Terroristen Al Sarkawi einen Artikel zu schreiben. Die Strafbehörden hatten die Redaktion durchsucht und u.a. Computer mitgenommen, um festzustellen, woher das BKA-Material stammt. Immerhin steht Geheimnisverrat in § 353b StGB ganz ordentlich unter Strafe:

"§ 353b StGB
(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als
  1. Amtsträger,
  2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder
  3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. ...
(Quelle: Juris)

Nur zur Relation: Das ist der gleiche Strafrahmen, der für den einfachen Diebstahl (§ 242 StGB) gilt.

Erkennbar galt die Durchsuchung bei CICERO mithin dem Versuch, die "Quellen" ausfindig zu machen, auch wenn man wegen der "Beihilfe" zum Geheimnisverrat gegen CICERO-Mitarbeiter selbst ermittelte. Das ist nachvollziehbar. Der Bund hat schließlich ein berechtigtes Interesse daran, dass das, was er nicht nach außen tragen will (z. B. sog. Verschlusssachen), auch tatsächlich nicht bekannt werden.

Mit der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG)ist so ein Vorgehen unvereinbar. Denn keiner erzählt einer Zeitung noch etwas Vertrauliches, wenn die Staatsanwaltschaftschaft die ihm zugesicherte Vertraulichkeit mit einem Durchsuchungsbefehl durchlöchern kann.
"...
Die Pressefreiheit umfasst auch den Schutz vor dem Eindringen des Staates in die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit sowie in die Vertrauenssphäre zwischen den Medien und ihren Informanten.

Die Freiheit der Medien ist konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung.
(Quelle: Urteil des Bundesverfassungsgerichs vom 27.02.2007)

Dieses Dilemma zwischen Geheimnisschutz und Pressefreiheit hat das Bundesverfassungsgericht heute geklärt, und zwar eindeutig zu Gunsten der Presse:

" Auch wenn die betreffenden Angehörigen von Presse oder Rundfunk nicht Zeugen, sondern selbst Beschuldigte sind und der Schutz des § 97 Abs. 5 StPO deshalb nicht besteht, dürfen in gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren wegen einer Beihilfe zum Dienstgeheimnisverrat Durchsuchungen nach § 102 StPO sowie Beschlagnahmen nach § 94 StPO zwar zur Aufklärung der ihnen zur Last gelegten Straftat angeordnet werden, nicht aber zu dem vorrangigen oder ausschließlichen Zweck, Verdachtsgründe insbesondere gegen den Informanten zu finden. Andernfalls könnte der von der Pressefreiheit umfasste Informantenschutz unterlaufen werden.
(Quelle: Urteil des Bundesverfassungsgerichs vom 27.02.2007)

Das Urteil stellt nebenbei auch fest, dass die Durchsuchung kein Ergebnis gebracht hat. Wer von den 192 Leuten, die Zugriff auf die BKA-Akte hatten, nun geplaudert hat, ist durch den Zugriff der Staatsanwaltschaft nicht geklärt worden, also wahrscheinlich immer noch ungewiss.

Varzil meint: Möglicherweise hat dieses (negative) Ergebnis die Richter beeinflusst. Ein Mittel, das nicht getaugt hat, muss nicht auch noch verfassungsrechtlich abgesegnet werden.

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