Freitag, 23. Februar 2007
Über den Generationenvertrag
Was ist ein Generationenvertrag?

Der Generationenvertrag bezeichnet einen angenommenen gesellschaftlichen Konsens, der die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sichern soll.

Die jeweils Erwerbstätigen (oder jedenfalls der Großteil von ihnen, nämlich die Arbeitnehmer) zahlen mit ihren Beiträgen die Renten der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Generation (Umlageverfahren) und erwerben dabei Ansprüche auf ähnliche Leistungen der nachfolgenden Generationen an sich selbst.
(Quelle: Wikipedia)

Richtig umfassend ist die Definition nicht - mag sie auch historisch richtig sein. Die Definition unterschlägt (wieder einmal), dass die Erwerbstätigen zwei Verpflichtungen haben: zum einen die Versorgung der Alten (s.o.) und zum anderen die Aufzucht von Nachwuchs (fehlt in der Definition).

Das ist nicht etwa ein Lapsus in der Wikipedia. Vielmehr ist es politisch so gewollt. Einen bemerkenswerten Aufsatz von Jürgen Borchert findet man dazu heute im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung

Am 23. Februar 1957 wurde die dynamische Rente Gesetz: Die Politiker fischten die Wählerstimmen der älteren Generation und opferten die Interessen der Eltern.

...
Der Erfinder des neuen Systems, der Ökonom Wilfrid Schreiber, sah diese Entwicklung voraus. Er bezeichnete die konkrete Reform als "Murks" und prophezeite den Einsturz des neuen Rentenhauses. Die Politiker hätten, so klagte der Wissenschaftler, seinen Bauplan verändert und das Fundament entfernt.

Schreiber, selbst kinderlos, hatte 1955 in seiner Schrift "Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft" eine neue soziale Ordnung entworfen, welche die bis dahin kleinfamiliär organisierte Gesellschaft in eine soziale Großfamilie transformieren wollte. Sein Plan beruhte auf der Einsicht, dass die überkommene Alterssicherung der Familien in dem Maße versagte, in dem sich die Arbeitnehmerschaft von einer Minderheit zur 80-Prozent-Mehrheit entwickelte.

Nicht mehr die Großfamilie sorgte jetzt für die ältere Generation, sondern das Einkommen des (häufig: Allein-)Verdieners wurde zum Maßstab. Der Arbeitslohn aber nimmt keine Rücksicht auf die Zahl derjenigen, die von ihm leben müssen; er ist "individualistisch verengt" und macht den unterhaltsfreien Single zum Gewinnertyp der neuen Epoche. Schreiber damals: "Was deshalb nottut, ist Familieneinkommen, das sowohl die Aufzucht von Kindern wie die Erhaltung der Alten ermöglicht."

Jeder Mensch empfange in Kindheit und Alter Leistungen von anderen und müsse darum selbst auch in beide Richtungen zahlen. Deshalb seien die familiären Verteilungsverhältnisse durch soziale "Verträge zwischen jeweils zwei Generationen" (Aktive Kinder und Aktive Alte) nachzubilden und der Altersrente eine "Kindheits- und Jugendrente" zur Seite zu stellen; zu dieser müssten vor allem diejenigen beitragen, welche keinen Kindesunterhalt zu leisten hätten. "Alters- und Jugendrenten müssen als Einheit gesehen werden," forderte der Wissenschaftler, "weil beiden der gleiche einheitliche Tatbestand und dasselbe Problem zugrunde liegen."
Die Politik aber hörte nur, was sie hören wollte. Während die "dynamische Altersrente" 1957 einen triumphalen Einzug in Deutschland hielt, wurde die Jugendrente amputiert. Der damalige CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer, fast 80 Jahre alt, setzte vom Schreiber-Plan nur das um, was ihm Wählerstimmen von den Alten versprach: die Lohnersatzrente. Kinder aber, wusste Adenauer, sind keine Wähler. Sein Kalkül ging mit absoluter Mehrheit bei der Bundestagswahl 1957 auf.

Im Ergebnis wurden die Kosten der Alten sozialisiert, während die Kinderlasten Privatsache blieben.
(Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 23.2.2007, S. 18)

Das ist zwar nicht schön so. Es erklärt aber doch einen guten Teil der derzeitigen Misere bei der Diskussion um die Rentenversorgung; außerdem wirft es ein bezeichnendes Licht auf die Stimmung (nicht nur) der 50er Jahre.

"... Voraussetzung für ein dauerhaftes Funktionieren des Umlagesystems ist aber ein steigendes oder zumindest gleichbleibendes Verhältnis von Arbeitnehmern (Einzahlern) zu Rentnern (Leistungsempfängern), was letztlich nur bei einer wachsenden Bevölkerung möglich ist. Über entsprechende Warnungen seines Wirtschaftsministers setzte sich Adenauer mit dem Hinweis „Kinder bekommen die Menschen immer“ hinweg.
(Quelle: Wikipdia zu Adenauer)

Vor diesem Hintergrund liest sich das, was Herr Mixa gestern verbreiten ließ, noch verknöcherter. Adenauer-reloaded sozusagen.

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Leider ist es so ...
... und jeder weiß es. Und dass die jetzige Arbeitnehmergeneration nicht genügend Kinder bekommt, liegt ja nicht (nur) an mangelndem Willen. Das gesellschaftliche Umfeld fördert die Geburtenrate jedenfalls nicht gerade.
Eins jedenfalls ist sicher: So viel Rente wie die jetztigen Rentner bekommen die zukünftigen Rentner nicht mehr. Und das was sie bekommen, müssen sie dann (höher) versteuern und sie müssen auch (mehr) Sozialabgaben leisten.

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Hoffentlich!
...und jeder weiß es ...
... So richtig sicher wäre ich mir da nicht - sonst müssten einige politische Entscheidungen getroffen (und nicht immer wieder aufgeschoben) werden...

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