Donnerstag, 4. Mai 2006
DER KAFFEE
Die Dinge werfen bekanntlich ihre Schatten voraus. So lässt die Perspektive einer anstehenden „Jugendherbergsübernachtung" alte Erinnerungen wieder wach werden, die unter einem Wust von Windel-Eimer-leeren, Bier- und Wasserkästen-ins-Auto-Schleppen, Klassenpflegschaftsabende oder Fußball-Premiere-Gucken schon unwiderbringlich verschüttet schienen.

Wer in seiner Jugend mal eine oder auch mehrere Wanderungen mit Übernachtungen in Jugendherbergen geplant hat, wird es bestätigen können:

Jugendherbergen
  • liegen nie da, wo man sie braucht
  • sind immer dann voll, wenn man vorher anrufen und reservieren will,
  • liegen immer möglichst weit von der nächsten Kneipe weg
  • liegen immer auf einem Berg, auch da, wo es keine gibt, wie in Holland in Bergen op Zee (oder wie auch immer das da heißt).
Zu den Jungen-Quartiere in Jugendherbergen muss man grundsätzlich einen Stock höher steigen als als zu den Mädchen-Quartieren. In der Selbstkocherküche gibt es nie Streichhölzer. Und die spannendsten Jungs und die schönsten Mädchen fahren eigentlich immer eine völlig andere Route, während man die Langweiler todsicher in der nächsten Jugendherberge wiedersieht.

Jugendherbergen haben übrigens nie Fahrradflickzeug, aber immer einen oder mehrere Zivis.

Und manchmal haben Jugendherbergen echtes Flair, wie z.B. in der schönen Grafschaft Connemara in Irland, wo es eine Jugendherberge mit einem „Gezeitenklo" gab: der Eimer zum Nachspülen ließ sich nur bei Flut füllen.

Der Freiburger Heidegger soll in eben jener Jugendherberge nicht unwesentliche Teile seines Seins durch einfaches Dasein sommerurlaubend zementiert und fundamentiert haben. Dem Autor fehlten an selbigem Ort hingegen Wesentliches: sein Klopapier, seine Streichhölzer und die Flut. Da war dann kein Sein mehr, als am nächsten Morgen Schafsköttel sich auch auf den Fahrradspeichen fanden.

Strom gab es übrigens auch nicht.

In Sachen „Flair" eigentlich unerlässlich sind natürlich auch die unzähligen Anekdoten zum Thema „Essen" und vor allem: „DER KAFFEE" in Jugendherbergen. Damit allein könnte man Bücher füllen, nicht nur Rundmails. Allerdings ist hier Sorgfalt angesagt. Schon seinerzeit war der routinierte Jugendherbergs-User, damals noch schnöder „Gast", daran zu erkennen, dass er über alles mögliche lästerte, aber nie, nie, nie über das Essen und mehr nie nie nie nie nie über "DENKAFFEE".
Und wer will sich schon als „Neuling"/"Newbie" outen. Deshalb die Goldene Regel aller Jugendherbergsroutiniers noch mal in goldener Klarheit:

Man kann über alles und jeden ablästern:
    über die Herbergseltern, die Toiletten, die Betten, die anderen Gäste, das gerade hier besonders beschissene Wetter, das schlechte Bier aus dem Getränkeautomaten, den wucherischen Wechselkurs für den Waschautomaten oder auch und meist zu Recht über die alles andere als diebstahlssichere Unterbringung von Fahrrädern.
ABER: kein Wort über das Essen, und erst recht: kein Mucks über „DEN KAFFEE".

An dieser Stelle kann der Autor nicht umhin, anzumerken, dass das Thema „Kaffee" sich infolge wohl einer schleichenden Qualitätsoffensive des Internationalen Jugendherbergsverbands zumindest in Kontinentaleuropa in den letzten Jahren von einem absoluten „don't even think about it" zu einem nur noch relativen Gesprächstabu abgebaut hat.
Vor allem lobende Erwähnungen wie „so schlecht ist der doch gar nicht" lassen sich als starke Tabubrecher einsetzen, zumal dann, wenn nicht Sekunden später die Ergänzung folgt: „aber weißt Du noch, DER KAFFEE in yyyy, da konnte man ja ... ".
Varzil merkt nur vorsichtig an, dass hoffentlich auch die übermorgen zu besuchende Jugendherberge trinkbaren Kaffee kredenzt. Da rechts geht's hin ...

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