Freitag, 4. August 2006
Gut gegen Böse - Militär gegen Miliz
Wenn man Kindern etwas erklären soll, merkt man oft, wie unklar Begriffe eigentlich sein können. Konkret lässt sich das, was da derzeit im Libanon geschieht, eigentlich kaum kindgerecht erklären.

Israel, das ist noch einfach: seit 1948 ein Staat mit einer Armee, ein Staat, der dort entstanden ist, wo vor 2000 Jahren schon einmal Israel war, der aber in Unfrieden lebt mit den Leuten in der Nachbarschaft, die da inzwischen seit Jahrhunderten gewohnt haben und gewohnt waren, ohne Israel zu leben.

Hezbollah, Hizbullah, Hizbolla - oder wie auch immer - ist schon schwieriger: es ist keine libanesische Armee, sondern eine Gruppe von Arabern, eine Miliz, die sich den Kampf gegen Israel auf die Fahnen geschrieben hat und aus dem Libanon heraus agiert. Etwas schlauer macht einen da die Wikipedia:
    Die Hisbollah (arabisch: ‮حزب الله‬ Hisbollah, Ḥizbu 'llāh, „Partei Allahs“, oft auch Hizbullah, Hizb-Allah oder Hezbollah geschrieben), ist eine islamistische libanesische Organisation. Sie entstand 1982 durch den Zusammenschluss verschiedener schiitischer Gruppen, die zum Kampf gegen die israelische Invasion gebildet wurden, und wird finanziell und ideologisch vom Iran unterstützt.

    Im Libanon ist sie einerseits eine politische Partei, die seit 1992 auch im Parlament vertreten ist. Zur Zeit stellt sie 14 von 128 Parlamentsabgeordneten und den Energieminister in der aktuellen libanesichen Regierung. Außerdem verfügt sie aber nach wie vor über paramilitärische Einheiten, die insbesondere im Süden des Landes unabhängig von der libanesischen Staatsgewalt agieren. Die Hisbollah verfolgt sowohl sozialpolitische Ziele, etwa im Bereich Bildung und Gesundheitswesen, als auch außenpolitische Strategien, zu denen nach Aussage ihres Führers Sayyid Hassan Nasrallah auch die Auslöschung Israels gehört.
    ...
    (Quelle: Wikipedia)
Hisbollah ist also eine eigenartige und für den Nahen Osten offenbar nicht untypische Vermischung von Staatsorganisation und Kampf-/Terrormiliz (vgl. nur die inzwischen demokratisch als Regierung gewählte Terrororganisation Hamas).

Man fühlt sich an die irische IRA oder die baskische ETA erinnert, die lange Zeit (immer noch?) einen politischen und einen militärischen Zweig/Arm pflegten (pflegen?).

Unstreitig schießt Hisbollah nicht erst seit kurzem mit Raketen auf Israel. Inzwischen tun sie es regelmäßig und offenbar relativ viel - von ca. 100 Raketen am Tag ist die Rede - und relativ ungenau: es scheint Zufall zu sein, wenn sie 'mal etwas treffen.

Ebenso unstreitig hat Israel daraufhin vor ca. 4 Wochen die Entführung von 2 israelischen Soldaten durch die Hisbollah zum Anlass genommen, auf den Libanon zu schießen - mit Raketen, mit Bomben, mit Granaten, mit allem, was zu einem Krieg gehört. Leider auch mit der für einen Krieg typischen Unverhältnismäßigkeit, dafür deutlich treffsicherer und um einiges intensiver als die Hisbollah. Offenbar schießt Israel auf alles, was irgendwie in den Verdacht gerät, Hisbollah-Kämpfer in seiner Nähe zu haben. Dabei macht Israel weder vor zivilen Objekten noch vor der UN-Friedenstruppe halt.

Fazit: Nachdem man in den letzten 15 Jahren vergeblich versucht hat, miteinander zu reden, schießt man jetzt wieder aufeinander.

Kann man da überhaupt mit "gut" und "böse" urteilen? Auf den ersten Blick muss man der Hisbollah die Schurkenrolle zuweisen, die einfach so auf Israel schießt, ohne sich darum zu kümmern, wen sie trifft: in deren Augen gibt es offenbar keine "unschuldigen Opfer".

Dass Israel den Libanon in "Sippenhaft" dafür nimmt, dass von seinem Gebiet aus auf Israel geschossen wird, macht es aber nicht gerade einfach, Israels Position für die Seite der Guten zu halten. Wie Israel am besten wissen müsste, kann man sich seine Nachbarn nun einmal nicht einfach aussuchen.

Die Aufforderung der Weltöffenlichkeit einschließlich Papst ("Aufhören!") kann man zwar verstehen, aber mit welcher Berechtigung will man die schießenden Parteien eigentlich zum Aufhören bringen? Hat da jemand etwa eine Lösung für den Nahost-Konflikt? Oder entspringt der Ruf nach einem "Waffenstillstand" nur dem Wunsch, bitteschön in der Tagesschau nicht ständig mit Schießereien und deren grausigen Ergebnissen behelligt zu werden?

Insgesamt also im Osten nichts Neues. Die seit 1948, d.h. seit dem Bestehen Israels, im Nahen Osten regelmäßig wiederkehrenden Waffengänge haben bislang kein Ergebnis gebracht. Den arabischen Kämpfern ist die Auslöschung Israels nicht gelungen, eher im Gegenteil: Israel ist militärisch besser gerüstet als alle seine Kontrahenten. Israel hat auf der anderen Seite ebenfalls nichts erreicht: der Grundkonflikt darüber, wer auf dem historischen Gebiet Palästina leben darf, besteht fort.

Das war hier schon am 9.12.2005 Thema anlässlich der Provokation von H. Ahmadinedschad: "Israel soll umziehen". Interessanter Weise hat lt. Süddeutsche von heute (Artikel nur gegen Geld lesbar) Peter Voß im Presseclub von Sonntag, 30.07.2006 diese Idee wieder aufgegriffen und in der Zeitung erläutert, er sei halt ein Pessimist.

In gewisser Weise hat er vermutlich Recht. Nach den Erfahrungen der letzten 58 Jahre wird auch diesmal der Krieg im Libanon kein endgültiges Ergebnis haben. Bleibt abzuwarten, ob die Beteiligten das irgendwann auch einmal merken und dann die Kraft finden, von selbst aufzuhören.

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