Eine Antwort auf Benedikt
Bei all dem Getöse, das die Moslems nach der
Regensburger Vorlesung von Benedikt XVI. veranstaltet haben, ist die von Benedikt eigentlich nur zitierte Frage, die die Moslems so auf die Palme brachte, bislang unbeantwortet geblieben:
"Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten">
(Quelle: Benedikt XVI. in der Regensburger Vorlesung vom 12.09.2006, online bei Bayerischer Rundfunk)
Heute in der Süddeutschen gibt es nun einen Versuch der Auseinandersetzung auf die Vorlesung, sozusagen Antworten:
Drei Artikel stehen auf der ersten Seite des Feuilletons zum Thema "Islam":
- Thomas HILDEBRANDT in "Wissend und weise / Ist der Gott des Islam allmächtig oder der Rationalität unterworfen?"
"...Die umstrittenen Passagen hierzu aus dem Regensburger Vortrag Papst Benedikts XVI. führen auf ein komplexes theologisches und koranwissenschaftliches Gebiet. Und sie sind durchaus problematisch.
Das beginnt mit der Wahl des Gewährsmannes. Der von Benedikt genannte Ibn Hazm, ein muslimischer Gelehrter aus dem Spanien des 11. Jahrhunderts, kann kaum als repräsentativer Vertreter der islamischen Theologie gelten.
...
Der Begriff Tradition (naql) ist im islamischen Denken der klassische Gegenbegriff zur Vernunft ('aql), und er meint die genannten autoritativen Texte. In der Frage, wie naql und 'aql miteinander in Beziehung zu setzen sind, gibt es im Islam eine breite Palette von Antworten. Die Zahiriya gehörte hier zu den Richtungen, die der Vernunft am wenigsten zutrauten. Worum es ging, war die Frage, ob der Mensch die Werte allein durch Vernunftgebrauch erkennen kann oder ob sie durch die Offenbarung in die Welt kommen: Nannte Gott die Lüge schlecht, weil sie in sich schlecht war, oder war sie das, weil Gott sie so nannte? Kann sich der Mensch in seinen Werturteilen also auf den Verstand verlassen, oder braucht er die Vorgaben Gottes?
Ibn Hazm entschied sich hier für die Tradition, nicht weil er Gott für unvernünftig hielt, sondern weil er dem Menschen misstraute. Er sah, dass der Mensch vor allem seinen Interessen und Begierden unterworfen war und es dabei doch immer wieder fertig brachte, seine Taten als vernünftig und moralisch gerechtfertigt hinzustellen. Dieses pessimistische Menschenbild veranlasste Ibn Hazm dazu, die Offenbarung als alleinigen Maßstab in moralischen Fragen zu begreifen. ...
"
Das ist immerhin eine interessante Annäherung an die Frage, ob Gott vernünftig sein muss, und stellt die islamische Position deutlich differenzierter dar als Benedikt XVI. es getan hat ... - KATAJUN AMIRPUR in "Denken als Gottesdienst / Der iranische Theologe Sorusch wirbt für Glaubensreformen"
"...
Zwei Argumenten seiner muslimischen Kritiker kann sich der Papst jedoch nur schwer entziehen: dass es ihm gut zu Gesicht gestanden hätte, auch die Verbrechen der Kirche zu thematisieren. Und vor allem: dass er das Christentum über die anderen Religionen erhebt und unterstellt, die Vernunft nehme den ihr gebührenden Platz nur in der christlichen Religion ein. Damit stößt er auch jene vor den Kopf, die nicht seine Adressaten sind: diejenigen Muslime, die für jede Diskussion über die "Krankheit des Islam" - wie sie selber den Zustand des Islam benennen - offen sind. Auch jemand wie Abdolkarim Sorusch, schiitischer Theologe und einer der bedeutendsten Reformdenker der islamischen Welt, hört vermutlich ungern, dass seine Religion - gemessen an Vernunftkriterien - Unheil gebracht haben soll.
..."
Dass Benedikt die "Überlegenheit" der christlichen katholischen Kirche in Glaubensdingen vertritt, kann man ihm als oberster Vertreter dieser Institution eigentlich nicht vorwerfen. Eine solche Position macht den Dialog allerdings nur schwieriger.
- Petra STEINBERGER in "Brüder im Geiste / Die Islamische Reformbewegung als Reaktion auf den Westen"
...Doch während die Gruppe der liberalen Reformer in der Bildung, in der Öffnung zum Westen und in einer intellektuellen Neubesinnung die Heilmittel für das Unglück ihrer Welt suchten, suchte eine andere Gruppe die Lösung in der Vergangenheit. Die islamische Welt habe sich zu weit entfernt vom wahren Glauben, von der richtigen, der wörtlichen Auslegung des Koran, wie es angeblich praktiziert worden sei in den ersten, den Goldenen Jahren....
Auch dies eine interessante Überlegung: Traditionalismus als Reform. Bleibt zu hoffen, dass die liberalten Reformer in der Reformbewegung sich auf Dauer durchsetzen.
(Quelle: Papierausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 21.09.2006, S. 11)
Die eigentliche Frage von Manuel II., was Mohammed nun der Welt an Gutem gebracht hat, müsste aus heutiger Sicht allerdings noch ganz anders lauten:
Die abendländische Kultur wäre ohne die arabische (islamisch geprägte) Hochkultur des 8. bis 14. Jahrhunderts nicht denkbar gewesen.
Ohne die arabische Hochkultur des Mittelalters
- wären z.B. die griechischen Philosophen wie Platon und Aristoteles wohl kaum noch im Bewusstsein geblieben
- hätte es z. B. in der Medizin, die in der europäischen Kultur jahrhundertlang kaum über die Quacksalberei hinaus ging, keine fast neuzeitlich anmutenden Standards gegeben,
- die Welt heute kein brauchbares Zahlensystem ("arabische Ziffern")
- wäre fraglich, ob Kolumbus sich auch ohne die Vorarbeiten arabischer Kartographen auf den Weg nach Westen gemacht hätte.
Varzil fragt sich, warum die islamische (bzw. arabische) Welt aus ihrer offenkundigen intellektuellen und kulturellen Vorherrschaft jener Zeit nicht mehr in die Moderne bzw. die heutige Zeit übernommen hat.
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