Freitag, 15. September 2006
Über Allah, Gott und die Vernunft
varzil, 14:34h
Benedikt XVI. hat in Regensburg eine Vorlesung gehalten, die er auch ausdrücklich so nennt:
Andererseits: Warum Benedikt den Kaiser so zitiert, bleibt unklar. Das folgende macht genauso viel Sinn, wenn Benedikt das Kaiser-Zitat oben weggelassen hätte. Inhaltlich spannender sind die folgenden Überlegungen - und wenn die Moslems dagegen protestierten, wäre die Auseinandersetzung mit dem Protest für alle nützlicher.
So bleibt es dabei:
Benedikt hat die (im Vergleich zu jener Zeit durchaus noch moderaten) Gedanken eines mittelalterlichen Kaisers zitiert. Mehr nicht.
Die eigentlich in der Vorlesung aufgeworfene Frage, ob es in Gottes Sinn sein kann, jemanden mit Gewalt zum Glauben zu bekehren, wird dabei von den Protestierenen nicht mehr wahrgenommen.
Dabei hat die christliche Kirche da mit ihren Kreuzzügen, mit der Christianisierung des Abendlandes, aber z. B. Südamerikas einige traurige Kapitel Weltgeschichte geschrieben. Es dürfte inzwischen weitgehend Konsens - auch in der Kirche - herrschen, dass das falsch war.
Der Islam ist (noch?) nicht soweit. Anstatt den Text zu Ende zu lesen, protestieren sie lieber beim ersten Stein des Anstoßes.
Varzil glaubt, dass die Protestierenden auch damit überfordert sind, einen so langen Text zu Ende zu lesen und ihn möglicherweise auch noch zu verstehen...
- "[unbestrittene These, dass es auch solch radikaler Skepsis gegenüber notwendig und vernünftig bleibt, mit der Vernunft nach Gott zu fragen] All dies ist mir wieder in den Sinn gekommen, als ich kürzlich den von Professor Theodore Khoury (Münster) herausgegebenen Teil des Dialogs las, den der gelehrte byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeologos wohl 1391 im Winterlager zu Ankara mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam und beider Wahrheit führte.
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In der von Professor Khoury herausgegebenen siebten Gesprächsrunde (Papst spricht griechisch ) kommt der Kaiser auf das Thema des Djihād (heiliger Krieg) zu sprechen. Der Kaiser wusste sicher, dass in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen – es ist eine der frühen Suren aus der Zeit, wie uns die Kenner sagen, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen über den heiligen Krieg. Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von "Schriftbesitzern" und "Ungläubigen" einzulassen, wendet er sich in erstaunlich schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten".
Andererseits: Warum Benedikt den Kaiser so zitiert, bleibt unklar. Das folgende macht genauso viel Sinn, wenn Benedikt das Kaiser-Zitat oben weggelassen hätte. Inhaltlich spannender sind die folgenden Überlegungen - und wenn die Moslems dagegen protestierten, wäre die Auseinandersetzung mit dem Protest für alle nützlicher.
- Der Kaiser begründet dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. "Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß (Papst spricht griechisch ) zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann…".
Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Herausgeber, Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf hinweist, dass Ibn Hazn so weit gehe zu erklären, dass Gott auch nicht durch sein eigenes Wort gehalten sei und dass nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren. Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Götzendienst treiben.
(Quelle: Benedikt XVI. in der Regensburger Vorlesung vom 12.09.2006, online bei Bayerischer Rundfunk)
So bleibt es dabei:
Benedikt hat die (im Vergleich zu jener Zeit durchaus noch moderaten) Gedanken eines mittelalterlichen Kaisers zitiert. Mehr nicht.
Die eigentlich in der Vorlesung aufgeworfene Frage, ob es in Gottes Sinn sein kann, jemanden mit Gewalt zum Glauben zu bekehren, wird dabei von den Protestierenen nicht mehr wahrgenommen.
Dabei hat die christliche Kirche da mit ihren Kreuzzügen, mit der Christianisierung des Abendlandes, aber z. B. Südamerikas einige traurige Kapitel Weltgeschichte geschrieben. Es dürfte inzwischen weitgehend Konsens - auch in der Kirche - herrschen, dass das falsch war.
Der Islam ist (noch?) nicht soweit. Anstatt den Text zu Ende zu lesen, protestieren sie lieber beim ersten Stein des Anstoßes.
Varzil glaubt, dass die Protestierenden auch damit überfordert sind, einen so langen Text zu Ende zu lesen und ihn möglicherweise auch noch zu verstehen...
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