Montag, 9. Juni 2008
Jugendschutz, Sex-and-the-City und das Chorkonzert
varzil, 12:09h
Der Nachwuchs will ins Kino. "Sex and the City" steht bei den (weiblichen) Teenies ziemlich weit oben auf der Liste der Filme, die man gesehen haben MUSS. Die Altersfreigabe (ab 12) ist auch kein Problem. Also gut, 18:45 Uhr verschwindet das Jungvolk, damit es um 19:30 Uhr losgehen kann. Der Vater freut sich auf einen ruhigen Samstag Abend, eventuell rafft er sich sogar zu dem Besuch eines Chorkonzerts auf ("Die wolltest Du doch schon immer mal hören").
Gegen 19:15 Uhr klingt das Telefon: das Kino zickt rum, die 14 Jährige dürfe nicht rein, weil sie erst nach 22 Uhr wieder raus käme und dann "allein" wäre. Die ältere Schwester zählt in dem Zusammenhang offenbar nicht.
Also nix mit ruhigem Samstag-Abend. Als Vater gegen 19:25 an der Kinokasse eintrifft, gibt es die gleiche Erklärung noch einmal in Langfassung. Die jüngste Tochter ist erst 14, der Film endet voraussichtlich um 22:21 Uhr und dann schreibe das Gesetz vor, dass Kinder dann nicht mehr allein auf die Straße dürften.
Der nachträgliche Blick ins Gesetz zeigt es:
Also dann doch "Sex and the City", und zwar in voller Länge. Der Film-Titel übertreibt etwas, wenn er "Sex" an die erste Stelle rückt. Zwar geht es oft um das "eine", meist aber nur verbal, immerhin gibt es einmal auch einen Mann unter der Dusche, schemenhaft ist sogar - horribile dictu - für eine Sekunde lang ein nicht erigierter Penis zu sehen. Kopulation gibt es gelegentlich auch, aber das wird eher zufällig gezeigt, zum Beispiel wenn jemand mal aus dem Fenster sieht.
Ansonsten überwiegt Verbal-Erotik. Circa 95 % der circa 200 Anwesenden sind weiblich. Und erstaunlich ist das Gegröhle, das bei einigen Zoten losbricht: es klingt einfach ein- bis zwei Oktaven höher, unterscheidet sich in seiner Vulgarität aber nur minimal von dem, was beispielsweise 195 Männer an Gegröhle bei einer entsprechenden Zote von sich geben würden.
Ansonsten: viel schicke Klamotten, teure Wohnungen, teure Hotels, natürlich Hochzeitsvorbereitungen, ein paar emotionale Verwicklungen, und zwischendurch eine Pause von ca. 20 Minuten. Der Vater vermutet, dass damit die Ziel-Vorhersage "Ende gegen 22:21 Uhr" eingehalten werden soll. Der Saal leert sich. Ob die Toiletten diesem Ansturm gewachsen sind? Nach 20 Minuten geht es weiter, ein paar neue Anekdoten, die Hochzeit platzt (weil der Bräutigam sich nicht traut), Tränen, noch ein Paar trennt sich, einsames Silvester-Feiern steht auf dem Programm, Valentinstag darf auch nicht fehlen, die Freundin wird schwanger, ein Paar versöhnt sich, ein anderes Paar kriegt sich und ganz am Ende dann noch ein Happy End (Gott sei Dank ohne Hochzeitsvorbereitungen) - eine Identifikationsfigur, mit der man sich mitfreuen und mit der man mitleiden könnte, taucht nicht auf. Insbesondere die Hauptfigur "Carrie", die als Autorin mit "Sex and the City" offenbar eine Menge Geld verdient ("höhö!"), bleibt blass, um nicht zu sagen: dünn.
Die Töchter sind freundlich und widersprechen nicht. Vater vermutet, dass sie trotzdem "heimlich" sich mit "Carrie" identifizieren.
Um 22:30 Uhr ist der Film zu Ende. Draußen hat es geregnet, es dämmert heftig, und warum ein Vater dabei sein muss, wenn die 14-Jährige dann nach dem Kinobesuch mit der Bahn nach Hause fährt, erschließt sich nicht wirklich. Besucht sie ihre Freundin, fährt sie beispielsweise um 23 Uhr auch allein nach Hause ...
Immerhin hat das Kino so eine Karte mehr verkauft. Und Vater hat was gelernt: a) Die Kinokassiererin hat Recht, b) nicht alles was da im Jugendschutzgesetz steht, ist sinnvoll und c) SATC ist eine gelegentlich amüsante Basis für Product-Placement.
Varzil empfiehlt, beim nächsten Mal sich genauer zu merken, in welcher Kirche das Chorkonzert stattfindet, das man eigentlich hören will.
Nachtrag:
Sopran hat vermutlich das Chorkonzert, das am Abend danach in Oberwinter stattfinden sollte, gehört ("holde Vögellieder" - passt wie Faust aufs Auge zu SATC).
Der Vater ging zu dem terminlich und inhaltlich: (Schumann "Dichterliebe") kollidierenden genialen Liederabend mit Erik Sohn:
Gegen 19:15 Uhr klingt das Telefon: das Kino zickt rum, die 14 Jährige dürfe nicht rein, weil sie erst nach 22 Uhr wieder raus käme und dann "allein" wäre. Die ältere Schwester zählt in dem Zusammenhang offenbar nicht.
Also nix mit ruhigem Samstag-Abend. Als Vater gegen 19:25 an der Kinokasse eintrifft, gibt es die gleiche Erklärung noch einmal in Langfassung. Die jüngste Tochter ist erst 14, der Film endet voraussichtlich um 22:21 Uhr und dann schreibe das Gesetz vor, dass Kinder dann nicht mehr allein auf die Straße dürften.
Der nachträgliche Blick ins Gesetz zeigt es:
§ 11 FilmveranstaltungenDie Dame hat recht. Also kauft die "personensorgeberechtigte" Person auch eine Kinokarte, eigentlich mit dem hinterlistigen Gedanken, zwischendurch eine "Pinkelpause" etwas auszudehnen und zum Besuch des Chorkonzerts in der benachbarten Kirche zu nutzen und dann gegen 22 Uhr wieder aufzutauchen. Aber: das Chorkonzert findet nicht statt, jedenfalls nicht in der benachbarten Kirche.
(1) ...
(2) ...
(3) Unbeschadet der Voraussetzungen des Absatzes 1 darf die Anwesenheit bei öffentlichen Filmveranstaltungen nur mit Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person gestattet werden
1. Kindern unter sechs Jahren,
2. Kindern ab sechs Jahren, wenn die Vorführung nach 20 Uhr beendet ist,
3. Jugendlichen unter 16 Jahren, wenn die Vorführung nach 22 Uhr beendet ist,
4. Jugendlichen ab 16 Jahren, wenn die Vorführung nach 24 Uhr beendet ist.
(Quelle: § 11 JugendSchutzGesetz bei )
Also dann doch "Sex and the City", und zwar in voller Länge. Der Film-Titel übertreibt etwas, wenn er "Sex" an die erste Stelle rückt. Zwar geht es oft um das "eine", meist aber nur verbal, immerhin gibt es einmal auch einen Mann unter der Dusche, schemenhaft ist sogar - horribile dictu - für eine Sekunde lang ein nicht erigierter Penis zu sehen. Kopulation gibt es gelegentlich auch, aber das wird eher zufällig gezeigt, zum Beispiel wenn jemand mal aus dem Fenster sieht.
Ansonsten überwiegt Verbal-Erotik. Circa 95 % der circa 200 Anwesenden sind weiblich. Und erstaunlich ist das Gegröhle, das bei einigen Zoten losbricht: es klingt einfach ein- bis zwei Oktaven höher, unterscheidet sich in seiner Vulgarität aber nur minimal von dem, was beispielsweise 195 Männer an Gegröhle bei einer entsprechenden Zote von sich geben würden.
Ansonsten: viel schicke Klamotten, teure Wohnungen, teure Hotels, natürlich Hochzeitsvorbereitungen, ein paar emotionale Verwicklungen, und zwischendurch eine Pause von ca. 20 Minuten. Der Vater vermutet, dass damit die Ziel-Vorhersage "Ende gegen 22:21 Uhr" eingehalten werden soll. Der Saal leert sich. Ob die Toiletten diesem Ansturm gewachsen sind? Nach 20 Minuten geht es weiter, ein paar neue Anekdoten, die Hochzeit platzt (weil der Bräutigam sich nicht traut), Tränen, noch ein Paar trennt sich, einsames Silvester-Feiern steht auf dem Programm, Valentinstag darf auch nicht fehlen, die Freundin wird schwanger, ein Paar versöhnt sich, ein anderes Paar kriegt sich und ganz am Ende dann noch ein Happy End (Gott sei Dank ohne Hochzeitsvorbereitungen) - eine Identifikationsfigur, mit der man sich mitfreuen und mit der man mitleiden könnte, taucht nicht auf. Insbesondere die Hauptfigur "Carrie", die als Autorin mit "Sex and the City" offenbar eine Menge Geld verdient ("höhö!"), bleibt blass, um nicht zu sagen: dünn.
Die Töchter sind freundlich und widersprechen nicht. Vater vermutet, dass sie trotzdem "heimlich" sich mit "Carrie" identifizieren.
Um 22:30 Uhr ist der Film zu Ende. Draußen hat es geregnet, es dämmert heftig, und warum ein Vater dabei sein muss, wenn die 14-Jährige dann nach dem Kinobesuch mit der Bahn nach Hause fährt, erschließt sich nicht wirklich. Besucht sie ihre Freundin, fährt sie beispielsweise um 23 Uhr auch allein nach Hause ...
Immerhin hat das Kino so eine Karte mehr verkauft. Und Vater hat was gelernt: a) Die Kinokassiererin hat Recht, b) nicht alles was da im Jugendschutzgesetz steht, ist sinnvoll und c) SATC ist eine gelegentlich amüsante Basis für Product-Placement.
Varzil empfiehlt, beim nächsten Mal sich genauer zu merken, in welcher Kirche das Chorkonzert stattfindet, das man eigentlich hören will.
Nachtrag:
Sopran hat vermutlich das Chorkonzert, das am Abend danach in Oberwinter stattfinden sollte, gehört ("holde Vögellieder" - passt wie Faust aufs Auge zu SATC).
Der Vater ging zu dem terminlich und inhaltlich: (Schumann "Dichterliebe") kollidierenden genialen Liederabend mit Erik Sohn:
16. Die alten, bösen LiederBalsam für die SATC-geschundene Seele...
Die alten, bösen Lieder,
Die Träume bös' und arg,
Die laßt uns jetzt begraben,
Holt einen großen Sarg.
Hinein leg' ich gar manches,
Doch sag' ich noch nicht, was;
Der Sarg muß sein noch größer,
Wie's Heidelberger Faß.
Und holt eine Totenbahre
Und Bretter fest und dick;
Auch muß sie sein noch länger,
Als wie zu Mainz die Brück'.
Und holt mir auch zwölf Riesen,
Die müssen noch stärker sein
Als wie der starke Christoph
Im Dom zu Köln am Rhein.
Die sollen den Sarg forttragen,
Und senken ins Meer hinab;
Denn solchem großen Sarge
Gebührt ein großes Grab.
Wißt ihr, warum der Sarg wohl
So groß und schwer mag sein?
Ich senkt' auch meine Liebe
Und meinen Schmerz hinein.
(Heinrich Heine: "Die alten, bösen Lieder" aus "Buch der Lieder")
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