Donnerstag, 12. Mai 2005
Eisheilige Kommunikation
Viele der Organisationsprobleme der Neuzeit rühren offensichtlich daher, dass die Weisheit unserer Altvorderen sich an der Alltagswelt ihrer jeweiligen Zeit orientiert. Sie haben ihre Erkenntnisse zeitgemäß formuliert.

Und da liegt das Problem. Das Gleichnis vom Weinberg erschließt sich natürlich auch heute noch dem Winzer und dem amtierenden Papst, der junge städtische Berufstätige (Young Urban Professional, vulgo "Yuppie" - ergo: Justäbe) erlebt heute hingegen eine Alltagswelt, die mit jener Welt von Winzer, Bauern und Jesus nicht mehr viel gemein hat. Aktualisierungen sind also unvermeidbar.

z.B.:
    "Bis Johanni, nicht vergessen,
    Spargel essen!"
Wieso Johanni, fragt der Justäbe? Spargel gibt's bei Kaufhof, Wertheim etc. doch rund ums Jahr, frisch, grün oder weiß, ganz wie man will.

Besser wäre heute eine Losregel wie z.B.:
    "Nach Schnee, Eis, Sturm und Hagel
    gibt's endlich wieder deutschen Spargel"
Oder: Die "Eisheiligen"
Während Varzil gestern an Mamertus noch fror, scheint heute an Pankratius immerhin schon die Sonne und es ist nicht mehr so kalt wie an Mamertus. Aber bis zu Sophie sind noch Servatius und Bonifatius zu überstehen. Tomaten- und andere frostempfindliche Setzlinge könnten vor diesem Datum sich noch einem mehr oder weniger heftigen Bodenfrost ausgesetzt sehen - wußten jedenfalls noch mehr oder weniger alle unsere Altvorderen.

Allerdings:
Wer meint, die Bauernregel von den Eisheiligen funktioniere doch gar nicht so richtig, hat sogar recht. Denn die Eisheiligen haben die Umstellung vom julianischen auf den gregorianischen Kalender nicht mitgemacht (sie sind - jahreszeitlich gesehen - rund 12 Tage zu früh!) und haben natürlich auch von globaler Erwärmung nichts mitbekommen.
Vielleicht hat die globale Erwärmung auch etwas mit einer Sehnsucht zu tun, den gregorianischen mit dem julianischen Kalender zu versöhnen. Der kundige Thebaner wird sich erinnern, dass die Kalenderreform von Gregor dem Dreizehnten ein deutlich schlechteres Schicksal als alle deutschen Rechtschreibreformen der letzten 150 Jahre hatte. Teile der Orthodoxie weigern sich noch heute, d.h. bald 500 Jahre nach der Kalenderreform, anzuerkennen, dass die Welt sich etwas (= 11 Minuten pro Jahr) schneller dreht als von Gaius Julius Cäsar vor 2050 Jahren berechnet.

Den Justäbe berührt, sofern er nicht orthodoxen Glaubens oder praktizierender Kommunist - jener hätte die Oktoberrevolution ja im November zu feiern - ist, schon die Kalenderfrage nicht wirklich. Das aktuelle Datum liefert das mobile Telefon und die Tageszeitung. Und die Eisheiligen berühren ihn nur noch, wenn er sein Gefährt in der Laternengarage parkt und der Nachtfrost ihm die Windschutzscheibe "bereift" hat. Neuzeitlich gewendet müsste man also den Scheibenkratzer und den Türschlossenteiser erst nach den Eisheiligen einmotten. Eine solche "alte Berufstätigenregel" sollte schon aus memotechnischen Gründen in einen Reim gepackt sein, was weder bei "Türschlossenteiser" noch bei "Windschutzscheibenkratzer" richtig leicht fällt.

Sprüche für eine bessere Welt

Nur zur Illustration:
    "Verstau den Auto-Scheibenkratzer nie nie nie,
    in Keller oder Karzer vor Sophie, -phie -phie!"
    "Bei Eis im Schloss
    hilft der Enteiser
    bis Bonifatioss -
    dann wird's heißer."
    "Der heilige Pankratius,
    macht endlich Schluss
    mit kaltem Schnee und blankem Eise!

    Erst dann kann man ganz leise
    die Winterreifen
    nach hinten schleifen,
    und alle uns're Schneeketten
    können in den Keller jetten."

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