Donnerstag, 30. Juni 2005
Die Vertrauensfrage: Eine Frage des Vertrauens
Nun denken die Schreiber Spiegel-online, Telepolis usw. darüber nach, wie das mit der Vertrauensfrage ist.

Gut, viele haben auch vorher (z.B. am 23.5.2005) schon darüber geschrieben, auch Spiegel online. Nur ernsthaft beachtet hat das Problem in der Politik niemand.

Varzil hatte am 24.5.2005 auf den Text von Art 68 GG hingewiesen. Das Ding heißt nunmal "Vertrauensfrage" und nicht "Mißtrauensfrage".

Und anstatt sich mit den vielen Kommentaren in der Netzwelt von heute auseinanderzusetzen, genügt der Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Hervorhebung in "fett" durch Koriander):
    "...6. Der Bundeskanzler, der die Auflösung des Bundestages auf dem Wege des Art. 68 GG anstrebt, soll dieses Verfahren nur anstrengen dürfen, wenn es politisch für ihn nicht mehr gewährleistet ist, mit den im Bundestag bestehenden Kräfteverhältnissen weiterzuregieren. Die politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, daß er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag. Dies ist ungeschriebenes sachliches Tatbestandsmerkmal des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG.
    7. Eine Auslegung dahin, daß Art. 68 GG einem Bundeskanzler, dessen ausreichende Mehrheit im Bundestag außer Zweifel steht, gestattete, sich zum geeignet erscheinenden Zeitpunkt die Vertrauensfrage negativ beantworten zu lassen mit dem Ziel, die Auflösung des Bundestages zu betreiben, würde dem Sinn des Art. 68 GG nicht gerecht. Desgleichen rechtfertigen besondere Schwierigkeiten der in der laufenden Wahlperiode sich stellenden Aufgaben die Auflösung nicht.
    8. a) Ob eine Lage vorliegt, die eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht mehr sinnvoll ermöglicht, hat der Bundeskanzler zu prüfen, wenn er beabsichtigt, einen Antrag mit dem Ziel zu stellen, darüber die Auflösung des Bundestages anzustreben.
    b) Der Bundespräsident hat bei der Prüfung, ob der Antrag und der Vorschlag des Bundeskanzlers nach Art. 68 GG mit der Verfassung vereinbar sind, andere Maßstäbe nicht anzulegen; er hat insoweit die Einschätzungskompetenz und Beurteilungskompetenz des Bundeskanzlers zu beachten, wenn nicht eine andere, die Auflösung verwehrende Einschätzung der politischen Lage der Einschätzung des Bundeskanzlers eindeutig vorzuziehen ist.
    c) Die Einmütigkeit der im Bundestag vertretenen Parteien, zu Neuwahlen zu gelangen, vermag den Ermessensspielraum des Bundespräsidenten nicht einzuschränken; er kann hierin jedoch einen zusätzlichen Hinweis sehen, daß eine Auflösung des Bundestages zu einem Ergebnis führen werde, das dem Anliegen des Art. 68 GG näher kommt als eine ablehnende Entscheidung. ... (Quelle: BVerfGE 62,1)
Wer mit Art. 68 GG so nicht zufrieden ist, sollte Art. 68 GG ändern. Wenn sich alle Parteien in dem Wunsch nach Selbstauflösung des Bundestags so einig sind wie im Moment, muss das doch möglich sein. Und es wäre eine juristisch saubere Lösung.

Falls die Abgeordneten aber vergessen haben, wie man das Grundgesetz ändert, hier der Hinweis auf Art. 79 GG:
    (1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. ...

    (2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.

    (3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

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